Piratenbraut
Island abzuschauen. In der Süddeutschen Zeitung hatte ich mal gelesen, in Island gelte eine Drittel-Regelung: »Drei Monate Elterngeld sind für die Mutter vorgesehen, drei Monate für den Vater, bei drei weiteren Monaten kann das Paar wählen, wer zu Hause bleibt.« Das werde ich einfach abwandeln: Vier Monate Mama, vier Monate Papa – die restlichen Monate sind frei verteilbar.
Bloß dürfen sich die vielen Männer in der Piratenpartei davon natürlich nicht gleich angegriffen fühlen. Meine Reformidee soll im Gegenteil nach Interessenpolitik für Väter klingen – und generell einfach nur positiv. Ich will außerdem klarmachen, dass ich auch an Familien mit geringem Einkommen denke. Auch sie sollen wieder ein angemessenes Elterngeld bekommen.
Ziemlich schwammig alles, das gebe ich zu. Was heißt das schon – »geringes« Einkommen, »angemessenes« Elterngeld? Aber ich habe mir zum Vergleich mal durchgelesen, was die Grünen vor der Bundestagswahl 2009 ihren Wählern so versprochen haben: »Wir wollen das Elterngeld weiterentwickeln«, hieß es da zum Beispiel. Dann war von einem »bedarfsgerechten Sockelbetrag für Geringverdienende und Studierende« die Rede. Und schließlich versprachen sie vage: »Zwei Vätermonate machen noch keine Gleichberechtigung. Ziel ist die paritätische Aufteilung der Elternzeit.« Das liest sich auch nicht, als hätte jemand dafür mal einen Taschenrechner zur Hand genommen.
Blöderweise muss ich meine Initiative fürs Liquid Feedback auch noch inhaltlich begründen und mit Zahlen belegen. Denn angeblich gilt im Liquid Feedback die Faustregel: Je besser eine Initiative begründet ist, umso eher hat sie Erfolg. Und ein brillantes Liquid-Feedback-Ergebnis erhöht wohl die Erfolgschancen beim Bundesparteitag. Und natürlich ist das mein Ziel: Dieser Antrag soll es auf die Tagesordnung beim Bundesparteitag im November schaffen – und beschlossen werden!
Nur, wo soll ich jetzt auf die Schnelle die passenden Zahlen hernehmen? Ich bin ja keine Familienpolitikerin, die seit Jahren statistisches Material zusammenträgt. Google muss mich retten. Zu meinem Glück hat das Statistische Bundesamt gerade erst eine Zwischenbilanz zum Elterngeld herausgegeben, die belegt: Nur eine Minderheit der Väter hat zuletzt überhaupt Elternzeit genommen. Wunderbar, wenn das kein Beleg für Reformbedarf ist! Und der muss reichen. Denn langsam rennt mir die Zeit davon. Zum Abendessen muss ich meine Eltern wieder von ihren Enkeln erlösen.
Zwei Stunden habe ich jetzt an dem Papier gebastelt. Nicht viel – immerhin geht es um einen Programmbaustein für die Bundestagswahl. Ob so ein Schnellschuss von mir als Neupiratin wirklich erwünscht ist? Werde ich mich mit meiner bescheidenen Expertise blamieren?
Ich werde es einfach ausprobieren und meinen Entwurf auf der Mailingliste des »Kegelklubs« zur Diskussion stellen.
»Liebe Schwarmintelligenz«, schreibe ich also, »wie ihr vermutlich alle wisst, ist das Grundsatzprogramm der Piraten beim Thema Familie & Beruf ziemlich dünn.« Dann erläutere ich kurz meinen Vorstoß und bitte um Feedback: »Bin natürlich für jeden Rat und jede Kritik offen.«
So, jetzt nur schnell noch meinen Text mit dem Titel »Echte Wahlfreiheit für Familien« unten in die Mail kopieren. Voilà!
Liquid-Feedback-Initiative – Echte Wahlfreiheit für Familien
Es wird beantragt, im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 an geeigneter Stelle Folgendes zum Themenfeld Geschlechter- und Familienpolitik einzufügen:
Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Eltern sollten nach der Geburt ihrer Kinder eine realistische Chance haben, in den Beruf zurückzukehren. Deshalb setzt sich die Piratenpartei für den Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder jeden Alters mit flexiblen Ganztagsangeboten ein.
Familien sollen ihren Lebensentwurf frei wählen können. Dies ist jedoch erst dann möglich, wenn auch längere berufliche Auszeiten von Vätern für die Kinderbetreuung zur gesellschaftlichen Normalität gehören.
Bis zur Entscheidung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens macht sich die Piratenpartei deshalb für eine Reform der Elterngeldregelungen stark.
Ein Ziel ist es, die gleichberechtigte Teilnahme der Väter an der Kinderbetreuung zu fördern und gesellschaftlich zu normalisieren. Daher sollte der volle Bezugszeitraum von 14 Monaten Elterngeld nur noch
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