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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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meine Ideensammlung schlecht aufgezogen oder ich hatte sie falsch anmoderiert. Vielleicht schien den anderen die Debatte zu unübersichtlich oder das Thema doch nicht so wichtig. Wer weiß, womöglich hatte ich auch einfach nur Pech. Fest stand: Die Debatte war genauso plötzlich vorbei, wie sie begonnen hatte.
    Rund einen Monat ist das her. Nun sitze ich an einem schwülheißen Mittwochnachmittag am Gartentisch und beschließe: Wenn sich die anderen nicht um das Thema kümmern, mache ich es halt selbst.
    Praktisch betrachtet könnten meine Startbedingungen kaum schlechter sein. Ich habe keinen Schimmer, wie so ein Programmantrag aussehen sollte.
    Mein Freund fand vorhin am Telefon, das mache nichts: »Schreib halt einfach von anderen ab. Am besten von diesem Typen, der vom Spiegel so angepriesen wurde. Kopieren gilt doch bei euch Piraten als Tugend!« Jetzt sitze ich hier im Garten und wühle im Liquid Feedback. Und tatsächlich: Da ist ein Programmantrag dieses Erfolgspiraten Jan Hemme. Das Papier fürs Bundestagsprogramm ist sogar schon beschlossen – mit 92 Prozent Ja-Stimmen.
    Ich verstehe zwar nicht gleich, worum es in dem Antrag mit dem sperrigen Titel »Zurechenbarkeit zwischen Einflussnahme und politischen Entscheidungen herstellen« geht, aber zumindest der erste Absatz liest sich extrem souverän: »Es wird beantragt, im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 an geeigneter Stelle Folgendes zu den Themenfeldern politische Transparenz und Antikorruption einzufügen (...).« So werde ich das auch formulieren!
    Aber vorher braucht meine Initiative einen Titel, am besten irgendwas Griffiges. Außerdem fürchte ich, meine Piraten reagieren allergisch auf Vorstöße, die irgendwie feministisch klingen. Wenn ich mit meinem Gleichstellungskram überhaupt eine Chance haben will, dann muss ich den Antrag als Freiheitsinitiative verpacken. Ist er ja letztlich auch. Vielleicht »Echte Wahlfreiheit für Familien«?
    Warum nicht. Wahlfreiheit ist ein beliebtes Schlagwort in der Partei, ich höre das ständig irgendwo. Der Zusatz »echt« signalisiert: Wahlfreiheit, ab jetzt noch besser! Nun kann es losgehen. Und frei nach Jan Hemme texte ich: »Es wird beantragt, im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 an geeigneter Stelle Folgendes zum Themenfeld Geschlechter- und Familienpolitik einzufügen: ...«
    Ich muss zugeben: Für meinen Geschmack klingt der Satz ein bisschen größenwahnsinnig, wie er da auf meinem Laptop über dem ansonsten weißen Bildschirm steht. Aber da muss ich jetzt wohl durch. Zumal mir auffällt, dass es gar nicht so leicht ist, meine Gleichstellungsoffensive tatsächlich als Freiheitspolitik zu verkaufen. Vielleicht komme ich mit der Idee der »Plattformneutralität« weiter, auf die sich Piraten so gerne berufen. Sie besagt: Alle Menschen sollen diskriminierungsfreien Zugang zu den wichtigsten Plattformen und Institutionen bekommen.
    Ich werde diesen Gedanken einfach auf meine familienpolitische Argumentation übertragen: Echte Wahlfreiheit für Familien gibt es erst, wenn alle diskriminierungsfrei entscheiden können, wie sie Elternzeit und Berufsleben kombinieren wollen. Weil diese Wahlfreiheit aber de facto bislang nicht existiert, ist das Gerede davon verlogen.
    Ich hole mir noch ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank und staune. In den Sommerferien am Gartentisch als Parteineuling einfach mal ein paar Passagen für ein Bundestagswahlprogramm zu entwerfen, das ist schon ein irres Gefühl.
    Während ich mich mit den Formulierungen herumquäle, fällt mir auf: Ich habe mir noch nie Gedanken gemacht, wie wohl die Wahlprogramme anderer Parteien entstehen. Ob gerade ein einfaches SPD -Mitglied in einem anderen schattigen Garten irgendwo in Deutschland ebenfalls das Elterngeld reformiert? Oder haben andere Parteien dafür bezahlte Referenten?
    So einen könnte ich jedenfalls an meiner Seite gebrauchen. Ich sehe nämlich noch ein Problem für meine Programmidee: das bedingungslose Grundeinkommen, für das viele Piraten schwärmen. Es würde das Elterngeld ja vermutlich überflüssig machen. Vielleicht sollte ich meinen Vorschlag einfach mal als Übergangslösung bezeichnen. Zum Beispiel so: »Bis zur Entscheidung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens macht sich die Piratenpartei für eine Reform der Elterngeldregelungen stark.« Ich finde, das klingt nicht blöd.
    Nun muss ich aber langsam mal zum Eigentlichen kommen, meinem neuen Elterngeldmodell. Ich habe mich entschieden, von

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