Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
Vom Netzwerk:
und das Schiff himmelwärts zogen. Von draußen hörte er Schüsse, die den Lärm der Prothan-Triebwerke übertönten: Drave feuerte vergeblich auf den Rumpf. Das dunkle Schiff, das sich den Landeplatz mit ihnen geteilt hatte, sank aus dem Blickfeld, als sie in den Nachthimmel emporstiegen.
    »Käpt’n?«, erkundigte sich Jez von der Türschwelle zum Cockpit. »Sind wir in Schwierigkeiten?«
    »Ja, Jez«, sagte er. »Wir sind in Schwierigkeiten.«
    Dann gab er vollen Schub auf die Triebwerke, und die Ketty Jay schoss mit einem Donnergrollen übers Hafengelände und raste aufs Meer hinaus.

ZEHN
Jez hat Visionen – Trinica Dracken – Crake stellt ein Ultimatum – Frey setzt sich zur Wehr
    Es war ein ruhiger Tag. Leichte Schneeflocken rieselten aus einem grauen Wolkenhimmel. Die Stille war ungeheuer.
    Jez stand am Rand des kleinen Landeplatzes, in Felle gehüllt, und hielt einen Becher Kakao zwischen den Pelzfäustlingen. Sie hatte ihre neue Arktiskleidung kurz nach der Ankunft gekauft. Ihre spärlichen Habseligkeiten waren im Pensionszimmer in Scarwater geblieben. In Wahrheit brauchte sie jedoch trotz der Temperatur gar nichts zu tragen. Die Kälte schien ihr heutzutage nichts anhaben zu können. Aber es war unbedingt notwendig, den Schein zu wahren: Ihre Sicherheit hing davon ab. Jeder halbwegs normale Mensch würde sie töten, wenn er wusste, was sie war.
    Der Landeplatz befand sich auf einem erhöhten Plateau über einer weiten Eisfläche. Am Horizont lag eine geisterhafte Gebirgskette, von der Entfernung blau gefärbt. Eine Herde Schneeschweine zog über die Ebene.
    Yortland. Eine eisige, harte und grausame Region, aber die einzige auf dem Kontinent Nord-Pandraca, wo die Koalitions-Marine nichts zu sagen hatte und die Koalitionsgesetze nicht galten. Der einzige noch verbliebene Zufluchtsort für die Crew der Ketty Jay.

    Sie trank einen Schluck Kakao.
    Ich könnte hierbleiben, dachte sie. Ich könnte in diese Wildnis hinauswandern und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
    Hinter ihr standen die Ketty Jay und deren Begleitjäger. Schnee hatte sich etliche Zentimeter hoch auf dem Rücken und den Tragflächen der Ketty Jay abgelagert. In der Nähe hämmerte ein älterer Yort an den Beinen seines Luftfahrzeugs herum; er schlug Eiszapfen ab. Trotz seines Alters sah er kräftig aus, mit dickem Nacken und mächtigen Schultern. Er war in schwere Pelze gehüllt, nur sein kahler, tätowierter Kopf war den Elementen ausgesetzt. Ohren, Lippen und Nase waren von Ringen und Knochensplittern durchbohrt. Ansonsten war niemand zu sehen.
    Außer der Ketty Jay waren zwei Yort-Schlepper und ein paar kleine private Rennjachten da, die Jez sich bereits mit kritischem Blick angesehen hatte – eine Angewohnheit, die von einem Leben als Tochter eines Schiffbauers herrührte. Sie waren klobig, dunkel und hässlich, nur auf Effizienz ausgerichtet, ohne Gespür für Ästhetik. Typische Yort-Arbeit. In einer derart übersteigert männlichen Gesellschaft galt der Besitz eines Fahrzeugs mit elegantem Design bestenfalls als sinnlos und schlimmstenfalls als potenzieller Beweis für Homosexualität – nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen konnte, da auf Analverkehr unter Männern hier draußen die Todesstrafe stand. Infolgedessen suggerierten sämtliche Yort-Konstruktionen, wie ungeheuer viril ihr Besitzer war – so viril, dass eine Frau gepanzerte Eierstöcke brauchen würde, um eine Nacht mit ihm zu überleben.
    Jez’ Blick verschwamm, als sie über die Ebene hinausschaute.
    Weg von den Menschen, dachte sie. Vielleicht wäre das am besten. Weg von den Menschen, bevor es zu spät ist.

    Aber die Einsamkeit. Sie konnte die Einsamkeit nicht ertragen. Was für einen Sinn hatte das Dasein, wenn man bis ans Ende seiner Tage allein war?
    Die Siedlung Majduk Eyl verteilte sich über das ganze Plateau. Yorts bauten wegen der Isolierung meist unterirdisch, und ihre Behausungen waren kaum zu erkennen. Vom Landeplatz aus sah man nur die niedrigen Höcker ihrer kuppelförmigen Dächer, die in den Schnee gegrabenen Eingänge und die von überhängenden Traufen geschützten Oberlichter. Rauch stieg aus drei Dutzend Schornsteinen empor und ringelte sich stetig zu den Wolken hinauf. Eine kleine Gestalt mit Umhang und Kapuze streute Sand aus einem Sack auf die matschigen Wege, die zwischen den Wohnbauten hindurchführten.
    In einem dieser Gebäude befanden sich die Besatzungsmitglieder der Ketty Jay. Sie waren nur eine weitere Gruppe von

Weitere Kostenlose Bücher