Piratin der Freiheit
werdet sehr bald meine
Nachricht erhalten.«
Als sie auf die bereits fast seetüchtige Galeone zu-rückgekehrt war, mußte Celeste zu ihrer Überraschung feststellen, daß man die Galionsfigur des Bugs, eine schöne Meerjungfrau mit wallender Mähne und riesigen Brüsten, mit Silberfarbe gestrichen hatte. Noch verblüffter war sie, als man ihr den Grund dafür mitteil-te.
»Wenn das Schiff schon Dama de Plata heißen soll,
dann ist es doch logisch, eine Galionsfigur aus Silber zu haben«, fand der mutige Maler.
»Und wer hat bestimmt, daß sie so heißen soll?«
»Das drängt sich doch auf… Oder vielleicht nicht?«
»Ich hatte entschieden, daß sie Sebastian heißen
wird!«
»Dama de Plata paßt besser.«
»Wo sie recht haben, haben sie recht«, räumte Miguel Heredia überzeugt ein. »Dama de Plata paßt wie ange-gossen. Und du mußt zugeben, daß die Galionsfigur
einfach großartig geworden ist.«
»Schön ist sie ja!« gab seine Tochter fast zähneknir-schend zu. »Aber wenn ich diesen Namen akzeptiere,
dann muß ich auch den Spitznamen akzeptieren.«
»Spitznamen akzeptiert man gewöhnlich nicht, Klei-
ne«, lautete die Antwort. »Im allgemeinen kriegt man sie einfach.«
Sie vertagten die Entscheidung darüber, denn am
nächsten Morgen wartete die schwere Aufgabe auf sie, die Besatzung auszuwählen. Daher riefen sie zunächst einmal den Venezianer Arrigo Buenarrivo zu sich, um ihn über die wahre Mission des mächtigen Schiffs auf-zuklären.
»Dem Sklavenhandel Einhalt zu gebieten…?« wie-
derholte der kleine Mann absolut fassungslos. »Darauf wäre ich nie im Leben gekommen.« Er musterte Vater
und Tochter, als kämen sie vom Mond. »Und was hofft Ihr damit zu erreichen?«
»Nur das: dem Sklavenhandel Einhalt zu gebieten.«
»Und wieviel zahlen diese Sklaven für ihre Freiheit?«
»Nichts. Sklaven haben kein Geld.«
»Nichts?« wiederholte der andere noch verwirrter.
»Und wo liegt dann der Profit?«
»Mein Vater und ich, wir streben nicht nach Profit«, klärte ihn Celeste auf. »Wir sind schon reich genug.«
Der kleine Kapitän schien Zeit zu brauchen, bis diese absurde Idee in seine kleinen grauen Zellen gedrungen war. Dann stand er auf, wanderte mit den Händen auf dem Rücken durch die geräumige, schwül dekorierte
Kajüte und fragte noch einmal nach:
»Wir müssen also nur Sklavenschiffe abfangen und
die Sklaven befreien?«
»Das erscheint Euch wenig?«
»Bizarr auf jeden Fall. Jedes Schiff hat seinen Auf-trag, aber auf hoher See sein Leben zu riskieren, nur um einigen Negern, die man nicht einmal kennt, die Freiheit zu schenken, erscheint mir schon etwas verrückt.«
»Schon möglich«, gab das Mädchen unbefangen zu.
»Aber Ihr werdet verstehen, daß wir Euch nicht den
Befehl über ein Schiff anvertrauen wollten, ohne Euch über seine Mission zu informieren.«
»Das verstehe ich, und ich danke Euch dafür.«
»Und nun?«
Arrigo Buenarrivo nahm wieder Platz und betrachtete lange Zeit die zierliche Frau, die ihm die Frage gestellt hatte, als würde ihm jeden Augenblick eine verborgene Macht auf wundersame Weise enthüllen, ob sie völlig verrückt war oder nicht.
Schließlich stieß er einen kellertiefen Seufzer aus und rief mit rauher Stimme aus:
»Bei allen Dämonen! Ich bin ein guter Seemann, der
gewohnt ist, dorthin zu fahren, wohin ihn sein Ausrü-
ster schickt, solange er nicht das Gesetz brechen muß.
Aber ich bin nicht sicher, ob es ein Gesetz gibt, das es verbietet, Sklaven auf hoher See zu befreien.«
»Vermutlich nicht«, lautete die Antwort. »Der Skla-
venhandel wird zwar seit jeher stillschweigend geduldet, >offiziell< ist er aber von keinem zivilisierten Land akzeptiert worden.«
»In diesem Fall ist wohl anzunehmen, daß man uns
nicht der Seeräuberei anklagen kann…«
»Anzunehmen schon«, räumte Miguel Heredia ein.
»Aber sicher seid Ihr da nicht?«
»Nein.«
»Komisch, findet Ihr nicht? Steinreiche Leute, die sich in ein Abenteuer stürzen, um Gutes zu tun, ohne zu
wissen, ob man sie deshalb aufhängen kann oder
nicht.« Er stieß einen neuerlichen Seufzer aus. »Seid Ihr auch bestimmt nicht verrückt?«
»Alles Ansichtssache«, bemerkte Celeste. »Nehmt Ihr Euer Kommando an?«
Der Venezianer dachte erneut nach, doch diesmal
brauchte er nicht lange.
»Ich nehme an«, brummte er.
»Dann sollten wir lieber darangehen, die Besatzung
auszuwählen. Allerdings werden sie erst auf hoher See über unsere wahren Absichten
Weitere Kostenlose Bücher