Piratin der Freiheit
Dann brauchte ein Zuckerrohrpflanzer nur die läppische Kaution zu bezahlen, die das Gesetz vorsah, und schon war der Schwarze sein Leibeigener.
Und dessen Lebensbedingungen unterschieden sich
kaum von denen eines echten Sklaven.
Zur Rechtfertigung dieser so augenfälligen Ungerechtigkeit hatten die Behörden lediglich das Argument
parat, man könne »Gewohnheitsverbrecher« schließlich nicht ohne Kontrolle über die Insel vagabundieren und auch nicht auf ewig vom Rest der »Gesellschaft«
durchfüttern lassen.
Celeste wußte daher sehr wohl, daß ein von ihr ausgestellter Freiheitsbrief den Sklaven besagte Freiheit nicht garantierte. Also fragte sie wieder einmal Bankier Hafner um Rat. Der kannte zweifellos die juristischen
Fallstricke des Kolonialreiches am besten.
»Wenn Ihr Jamaika verlaßt und aus welchem Grund
auch immer nicht zurückkehrt, werden Eure Schwarzen unweigerlich in den Händen von Stanley Klein landen, und der ist meiner Meinung nach der brutalste und
skrupelloseste Sklavenhändler, der je diese Insel betreten hat.« Der Bankier machte eine Kunstpause, als wolle er sein Gegenüber einige Sekunden länger auf die Folter spannen. »Aber wir können einen juristischen Kniff anwenden.«
»Und wie sieht der aus…?«
»Verkauft Eure Sklaven einfach an eine Firma.«
»An eine Firma?« fragte Celeste Heredia erstaunt.
»Was für eine denn?«
»Eine Zuckerfirma mit Sitz in London. Dann ist Eure persönliche Anwesenheit auf der Insel nicht erforderlich. Es genügt ein juristischer Vertreter, meine Bank zum Beispiel. Wir vertreten übrigens bereits eine Reihe solcher Firmen.«
»Und zu welcher ratet Ihr mir?«
»Zu keiner.« Der ausgekochte Bankier lächelte ver-
schlagen. »Gründet doch einfach Eure eigene. Dann
gehen Eure Sklaven im Falle Eures Todes auf Eure
rechtlichen Erben über.«
»Wenn mein Vater und ich sterben, dann hinterlassen wir keine Erben.«
»Vor dem Gesetz gibt es stets Erben, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist«, lautete die ironische Antwort. »Ein Onkel, ein Neffe, ein entfernter Schwager, wer weiß? Jahre können vergehen, ihn ausfindig zu machen, und zwischenzeitlich stehen Eure Sklaven unter dem Schutz der Bank und sterben vermutlich an Alters-schwäche.«
»Das würde die Bank für uns tun?«
»Natürlich! Das gehört zu unserer Arbeit, und ich bin sicher, daß diese Plantage jährlich über achtzig Tonnen Zucker abwerfen kann. Das ist mehr als genug, um Eu-re Sklaven zu unterhalten, unser Honorar zu bezahlen und sogar ein kleines Kapital anzuhäufen. Ihr braucht lediglich einen absolut vertrauenswürdigen Verwalter, der Eure Schwarzen wie >fast freie< menschliche Wesen behandelt.«
»Würdet Ihr mir einen solchen suchen?«
»Ich glaube, ich habe die geeignete Person schon an der Hand. Es sei denn, es macht Euch etwas aus, daß es sich um eine Frau handelt.«
»Nicht im geringsten.«
»Wenn das so ist, schicke ich sie Euch morgen vorbei.
Aber laßt Euch nicht von ihrer äußeren Erscheinung
täuschen. Vertraut mir einfach.«
Am Abend des folgenden Tages hielt eine kleine Kut-
sche vor dem Tor. Eine elegante Dame mit exquisiten Manieren und schlanken, gepflegten Händen stieg aus und stellte sich mit einem sehr leichten gefälligen ausländischen Akzent vor.
»Guten Abend! Ich heiße Dominique Martell. Mr.
Hafner schickt mich.«
Sie wurde gebeten, auf dem bequemsten Sofa der Ve-
randa Platz zu nehmen, man servierte ihr Tee, und nach etwas Konversation über die außerordentliche Schönheit des Ortes kam die Dame sehr höflich zur Sache:
»Wie ich gehört habe, seid Ihr eventuell an meinen
Diensten interessiert.«
»So ist es«, gab Celeste zu. »Habt Ihr irgendwelche Erfahrung in der Verwaltung einer Zuckerfabrik?«
»Nicht die geringste.«
»Und wie sieht es bei Rumbrennereien aus?«
»Ebensowenig.«
»Worin seid Ihr dann erfahren?«
»Ich habe zwölf Jahre lang, mit außergewöhnlichem
Erfolg, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf, das renommierte Bordell von Madame Dominique ge-führt.«
»Ein Bordell?« fragte Miguel Heredia verblüfft. »Das berühmte Madame Dominique?«
»Genau! Das beste in Port-Royal, direkt gegenüber
der Schenke der >Tausend Jakobiner<. Ihr kennt es?«
»Ich habe es im Vorübergehen gesehen«, wich der
Angesprochene aus. »Aber nach allem, was ich gehört habe, war es tatsächlich das beste der Insel.«
»Schade, daß ich Euch nicht zu meinen Kunden zäh-
len durfte. Dann hättet Ihr
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