Piratin der Freiheit
feststellen können, daß in meinem Haus alles wie am Schnürchen lief. Leider war ich auf Urlaub in Marseille, und als ich zurückkehrte, war von dem, was ich über Jahre hinweg mühevoll aufgebaut hatte, nur noch der Briefkasten übrig.«
»Wie bedauerlich. Und habt Ihr nicht daran gedacht, es wiederaufzubauen?«
Die höchst elegante Madame Dominique sah ihn von
der Seite an, und ihr Blick verriet einen Anflug von Ironie.
»Alles hat seine Zeit«, seufzte sie. »Heute gibt diese Goldgrube, aus der ich einst diesen Palast von Bordell erbaute, nicht einmal mehr genug Geld her, um damit eine Hütte zu errichten. Außerdem habe ich in meinem Alter keine Lust mehr, mich mit wildgewordenen Mädchen herumzuschlagen. Dagegen bin ich sehr wohl in
der Lage, auf ehrenhafte und erfolgreiche Weise ein Anwesen wie dieses zu verwalten, da könnt Ihr sicher sein.«
»Unser Verwalter«, gab Celeste zu bedenken, »muß in erster Linie die Sklaven mit Respekt und Würde behandeln.«
»Darauf hat mich Ferdinand schon hingewiesen.«
»Wir betrachten unsere Sklaven nämlich als freie
Männer, aber ich nehme an, Ihr kennt die Probleme, die ein freier Schwarzer in Jamaika hat.«
»Nur zu gut! Ich hatte einmal ein farbiges Mädchen, das sich mit einer Woche Arbeit die Freiheit hätte verdienen können. Aber es half ihr nichts. Als sie sich selbständig machte, sperrte man sie ein, und ich mußte sie schleunigst freikaufen. Sonst hätte das dieses
Schwein Klein oder ein anderer Wüstling besorgt, der sie wahrscheinlich zu Tode mißbraucht hätte. Schwarze haben es in Zeiten wie diesen wahrlich schwer!« schloß sie überzeugt. »Wahrlich verdammt schwer!«
»Und wer garantiert uns, daß Ihr mit unseren Leuten in unserem Sinne umgeht?« wollte die oft zu pragmatisch denkende Celeste wissen.
»Meine Liebe…!« begann die ehemalige Kupplerin
und zeigte den Anflug eines Lächelns. »Das Leben hat mich gelehrt, daß nur auf wenige Dinge Verlaß ist.
Nicht einmal auf die Erde unter unseren Füßen. Du paßt einen Augenblick nicht auf und schon bebt sie. Aber wenn ich schon die Chance habe, meine Tage ohne
finanzielle Sorgen in diesem Paradies zu beschließen, und das, ohne mich Tag für Tag mit Huren und Sauf-köpfen herumschlagen zu müssen, und im Gegenzug
dafür lediglich Eure Neger als menschliche Wesen behandeln muß, warum sollte ich dann so dumm sein, sie zu schikanieren?«
»Klingt logisch.«
»Ist es auch.« Die elegante Dame fächelte sich Luft zu, musterte ihre Gesprächspartner und fügte in etwas verändertem Ton hinzu: »Wenn Euch das etwas hilft:
Ich gehöre zu den wenigen, die wissen, wie man mit
Stanley Klein umzugehen hat.«
»Kennt Ihr ihn sehr genau?« interessierte sich Miguel Heredia mit etwas krankhafter Neugier.
»Zu gut! Er ist ein arroganter Pinsel, ehrgeizig und vulgär. Am liebsten würde er es mit der ganzen Welt aufnehmen. Doch unterhalb der Gürtellinie erlahmt
seine Energie.« Sichtlich angeekelt schüttelte sie den Kopf. »Genau deshalb ist er so gefährlich: Er weiß, daß er eigentlich nur ein aufgeschwemmter Hüne ist, verbittert und voller Komplexe. Eines meiner Mädchen hat
ihm einmal gesagt, er würde die Welt nicht mehr hassen, wenn sein Schwanz nur so groß wäre wie seine
Nase.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Er verpaßte ihr eine Ohrfeige. Später aber betrank er sich und heulte sich darüber aus, wie schwer es sei, >viele tausend Sklaven zu haben, aber nicht einmal ein Zehntel der Männlichkeit eines Negers<. Ganz ehrlich, einen Augenblick lang tat er mir leid, aber er ist wirklich ein Schwein.«
»Könnt Ihr ihn unseren Leuten vom Leib halten?«
Madame Dominique nickte überzeugt.
»Wenn Eure Leute mitmachen.«
Drei Tage später rief Miguel Heredia fast fünfzig Arbeiter der Hacienda zusammen, die sich unter die schattigen Saman-Bäume vor der Seitenveranda des Hauses
setzten. Nachdem er sie der Reihe nach gemustert hatte, wobei er versuchte, sich an jeden einzelnen Namen zu erinnern, klärte er sie über ihre Situation und die Entscheidungen auf, die man um ihretwillen getroffen hatte.
»Wenn ihr euch anständig benehmt«, schloß er,
»könnt ihr weiter hier leben, arbeiten, ohne zu schuften, und ihr werdet einen gerechten Lohn erhalten, den ihr ausgeben solltet, ohne Verdacht zu erregen. Wenn ihr also etwas braucht, sagt ihr das Madame Dominique,
und die wird dafür sorgen, daß man es euch aus Kingston beschafft.« Er richtete drohend den Finger auf sie.
»Aber
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