Piratin der Freiheit
ger-ne deine Meinung erfahren.«
»Meine Meinung? Jahrelang hat alle Welt mich für
verrückt gehalten, aber jetzt habe ich den Eindruck, daß ich hier der einzige bin, der klar bei Verstand ist.« Er hob die Arme, als wollte er so das Maß seiner Zweifel zum Ausdruck bringen. »So, wie es jetzt steht, kann ich Gott nur noch darum bitten, mich früher zu sich zu rufen als dich. Das reicht mir.«
»Einverstanden!« sagte seine Tochter, die nur mit
Mühe ihre Ruhe bewahrte. »Wir kennen deine Meinung
schon, aber da ich weiß, daß du kein Dummkopf bist, solltest du noch etwas sagen, was uns helfen könnte.«
»Eine Sache«, bemerkte der andere in völlig verändertem Ton. »In einer Hinsicht bin ich mit dir einverstanden, aber das soll nicht die Regel werden: Die Frauen können uns wirklich sehr hilfreich sein.«
Das fand auch die Mehrheit der Anwesenden, und so
beschloß man, in drei Tagen ein großes »Kennenlern-
fest« zu veranstalten. Dazu waren alle Frauen eingeladen, die sich mit der Besatzung der Dama de Plata ein-lassen wollten. Dennoch schärfte Kapitän Buenarrivo seinen Männern unmißverständlich ein, daß dieses Fest lediglich einen ersten »gesellschaftlichen Kontakt«
bedeutete. Weitergehende Kontakte waren ausgeschlossen, jedenfalls für den Augenblick.
»Ihr dürft die Mädchen kennenlernen, ihre Sympathie wecken, aber ihre Partner suchen sie sich selbst aus. Ich will keine Probleme haben, und daher warne ich euch: Wer meine Befehle nicht befolgt, wandert eine Woche in den Kielraum und kann künftige Landgänge vergessen.«
»Eine Frage noch«, meinte Jeremias Centeno, der
schlaue Wachposten am Davit, der seine Münzen in einer Börse mit gemahlenem Pfeffer aufbewahrte.
»Stimmt es, daß die Negerinnen bei der Liebe unersättlich sind?«
»Das mußt du schon selber herausfinden, Söhnchen«,
lautete die ironische Antwort. »Bei deinem Alter würde ich mir darum keine Gedanken machen.« Der Venezianer lachte. »Wenn Not am Mann ist, sag mir Bescheid, und ich werde sehen, ob ich dir helfen kann.«
»Und wenn zwei Männern die gleiche gefällt?« fragte ein Toppsgast, der mehr von einem Affen als von einem Menschen hatte. »Was machen wir dann?«
»Ob zwei Männern die gleiche Frau gefällt, ist unerheblich. Ein Problem gibt es lediglich, wenn zwei Frauen den gleichen Mann haben wollen.« Er zwinkerte ihm zu. »Aber ich habe den Eindruck, bei dir wird das nicht passieren.«
»Das weiß man nie! Es heißt, daß die Neger nicht behaart sind und ihre Frauen daher dicht behaarte Männer attraktiv finden.«
»Dann bist du ja fein raus, allerdings empfehle ich dir ein gutes Bad, denn Behaarung ist eines, Schmutz etwas anderes.«
An diesem Morgen wurde tatsächlich viel gebadet.
Man schnitt sich die Haare, parfümierte sich mit billi-gen Wässerchen und zog saubere Kleidung an. Als sich die Männer schließlich auf Deck zur üblichen Inspek-tion vor dem Landgang einfanden, konnte sich Celeste Heredia ein Lächeln nicht verkneifen: Statt einer Besatzung rauher Seeleute hatte sie eine Gruppe ungeduldiger Knaben vor sich, die sich auf den Tanz bei einem großen Fest freuten.
Kurz darauf schritt der Obermaat ihre Reihen ab und ließ sie die Fingerspitze in einen Topf mit Brennesselsud tauchen. Wer sah, wie sie zurückzuckten, laute
Schreie ausstießen und sich sofort auf die brennende Stelle pusteten, hatte keine Zweifel, daß sie es sich zweimal überlegen würden, die Regeln zu überschreiten.
»Das wird für uns alle ein sehr bedeutender Tag, und ihr wißt ja schon, was euch erwartet, wenn ihr meine Anweisungen nicht haargenau befolgt«, sagte Celeste schließlich. »Wir wollen diesen Menschen, denen wir soviel Leid zugefügt haben, zeigen, daß nicht alle Wei-
ßen Teufel sind, die sie nur versklaven wollen. Sie sollen verstehen, daß wir ihre Freunde sein können, ihre Brüder, ihre Liebhaber, ja sogar die Väter ihrer Kinder, und daß wir nichts mit den Kanaillen gemein haben, die sie peitschen und in Lagerräume pferchen, um sie fern ihrer Heimat zu verschleppen. Ich möchte, daß zwei
Rassen eine neue Form des Zusammenlebens finden.
Jeder von euch soll ein Botschafter des guten Willens sein, auf den ich stolz sein kann.« Sie machte eine kurze Pause, ihre Augen schossen Blitze ab, und schließ-
lich herrschte sie die Männer an: »Und ich schwöre bei Gott, wer mich enttäuscht, den kastriere ich.«
Sofort breitete sich zustimmendes Murmeln auf Deck
aus. Selbst der letzte
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