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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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mächtiger Kö-
    nig, Kujami-Sawam, hätte sich nicht einmal im Traum vorstellen können, daß tausend bis an die Zähne bewaffnete Männer sich plötzlich auf die angeblich sicherste Stadt des Kontinents stürzen könnten.
    Denn Ganvie war ein primitives Venedig, eine Pfahl-
    siedlung inmitten eines Sees. Dieser war von hohen
    Schilffeldern umgeben: einem Labyrinth aus Wasser-
    schleifen und Kanälen. Daher galt die Stadt mit Recht als einer der unzugänglichsten Orte der Welt. Kein
    Feind konnte auch nur so nahe herankommen, daß er
    aus der Ferne die stolzen Bauten hätte ausmachen können.
    Trotzdem überwand eine große Armee langer Kanus
    mit je zwanzig Sklaven des eigenen Volks, die Kujami-Sawam früher einmal an einen Händler der Haussa verkauft hatte, still und heimlich die tausend Biegungen der riesigen Lagune und erschien vor der schönen Seestadt, als fast alle ihre Einwohner friedlich in der mörderischen Mittagshitze schliefen.
    Was folgte, war ein regelrechtes Massaker.
    Drei Stunden später färbte das Blut von zweihundert Yoruba-Kriegern die Kanäle der Stadt rot, und der eben noch so stolze und mächtige Kujami-Sawam hing mit
    dem Kopf nach unten am höchsten Ausguck seines pri-
    mitiven Palasts und mußte hilflos dabei zusehen, wie eine Bande brutaler Wilder seine dreißig Frauen und 45
    Töchter immer wieder schändeten und mißhandelten.
    Am nächsten Tag ließ Mulay-Ali ihn in einen großen
    Käfig knapp über der Wasseroberfläche stecken, in dem an die zwanzig hungrige Schweine grunzten und quiek-ten.
    Kujami-Sawam starb erst nach einer halben Stunde,
    als ihn die Bestien bereits größtenteils verschlungen hatten, und noch heute, dreihundert Jahre später, lebt sein Tod in der Erinnerung als schlimmste Agonie fort, die jemals ein König der Region erdulden mußte.
    Von diesem Tag an war Ganvie die erste Hauptstadt
    des jungen Reichs von Mulay-Ali. Unter dem Befehl
    des tatkräftigen und fixen lan MacLean drangen seine Heere immer tiefer in die angrenzenden Territorien vor.
    Bei ihrer Rückkehr stießen sie lange Reihen von
    Schwarzen in Ketten vor sich her.
    Die Fähigsten durften ihre Zukunft selbst wählen, der Rest wurde gegen Gold, Gewehre, Pulver und Kanonen
    eingetauscht. Und sofort startete man eine neue Razzia, die sie schließlich bis ans Ufer des großen Niger führte.
    »Hier liegt die Zukunft«, urteilte der schlaue, Schotte, als er seinen Blick über die riesige Wasserstraße
    schweifen ließ. »In Ganvie werden wir immer nur
    Sklavenjäger sein, aber wenn wir uns hier niederlassen, dann gründen wir ein wahres Imperium. Der Niger ist die Lebensader der Region.«
    Mulay-Ali brauchte vier Monate, um sich zu ent-
    schließen, die Wasserwelt von Ganvie aufzugeben, in der er sich wohl fühlte. Einen ersten Schritt machte er schließlich, weil er davon überzeugt war, daß ihn an-dernfalls seine eigenen Leute in seinem zerbrechlichen Seereich seinem Schicksal überlassen würden.
    »Wenn ein Sohn heranwächst, müssen wir ihm neue
    Sandalen geben«, gab ihm der weise Marabut zu bedenken, den er aus Ibadän hatte kommen lassen. »Und
    wenn er nicht wächst, verknöchert er bald und stirbt.
    Wenn du wirklich ein König sein willst, dann stell dich an die Spitze deiner Heere und marschiere voran. Wenn du es nicht tust, dann tut es ein anderer.«
    »Wer?«
    »Was spielt das für eine Rolle?« murmelte der Alte
    übellaunig. »Wenn jemand so dumm ist, die Macht aus der Hand zu geben, dann gibt es immer einen, der bereit ist, sich ihrer zu bemächtigen, und Verrat begeht nie der, den du verdächtigst, sondern der, von dem du es am wenigsten erwartest.«
    »Ich nehme an, mein Alter wäre nie darauf gekom-
    men, daß ihn ausgerechnet sein >Lieblingssohn< in der eigenen Zisterne einsperren würde«, gab Jean-Claude Barriere mit dem Anflug eines Lächelns zu, was bei
    ihm selten war. Anschließend fragte er wie beiläufig:
    »Glaubst du, daß er ertrunken oder an der Kälte gestorben ist?«
    »Weder das eine noch das andere«, befand der Alte.
    »Er ist gestorben, weil Allah entschieden hatte, daß seine Stunde gekommen war.«
    »Und wenn ich dir jetzt in diesem Augenblick den
    Kopf abschlagen würde?«
    »Dann würdest du nur Seinen Willen erfüllen, denn
    das hieße, daß er verfügt hat, daß dies der letzte Tag meines Lebens sein soll.«
    »In diesem Fall wäre ich für deinen Tod nicht verantwortlich, denn er wäre mir befohlen worden.«
    »Allah befiehlt nicht. Er gibt dir die Freiheit

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