Piratin der Freiheit
daß wir den Posten aufgeben und zum
Meer ziehen.«
»Sehr gut! Und was haben sie aus dem Norden geant-
wortet?«
»Sie baten um Bestätigung«, entgegnete der andere
Gefangene. »Alkemy Makü hat es ihnen bestätigt und
hinzugefügt, daß von nun an keine Nachricht mehr
kommen wird, weil wir sofort aufbrechen.«
»Glaubt ihr, daß wir damit Erfolg haben werden?« war das erste, was Celeste Heredia wissen wollte, als am nächsten Tag der Priester sie an Bord der Dama de Plata über die Ereignisse im Fort von Ihjaia ins Bild setzte.
»Den haben wir schon«, lautete die überzeugte Ant-
wort. »Sobald die Trommeln zu schlagen beginnen,
werden die Bewohner an beiden Ufern des Flusses in
Panik flüchten.«
»Aber warum?« wollte der Engländer Reuter wissen.
»Zweifellos flößt die Tollwut Angst ein, aber sie rechtfertigt doch keine solche Panik.«
»In Europa mag man sie fürchten…«, erwiderte der
Bärtige. »In Afrika löst sie Panik aus. Dazu muß man wissen, daß die Tollwut in Europa von Hunden, Katzen, Ratten, Füchsen und Wolfen übertragen wird…
Das kann man unter Kontrolle halten! Aber hier werden auch Hyänen, Schakale, Löwen, Leoparden befallen,
und vor allem viele Affenarten. Und in dichten Urwäldern und auf riesigen Savannen hat das keiner mehr im Griff. Dort kann dich jedes tollwütige Tier anfallen, das von einem Ast springt oder im hohen Gras lauert. Wenn sich die Tollwut in diesem Teil Afrikas ausbreitet, kann sie viele tausend Menschen töten, und das auf die grau-samste Weise…« Er öffnete die Hände, als würde er
damit alles sagen. »Daher die Panik.«
»Und glaubt ihr, daß wir das Richtige getan haben?«
Pedro Barbas wandte sich an Miguel Heredia und sah
ihn lange an, bevor er auf seine Frage antwortete.
»Unsere Waffen können noch so modern und unsere
Männer noch so tapfer sein, wir werden niemals eine Streitmacht besiegen, die zwanzigmal so stark ist wie die unsre, wenn wir unter unseren Feinden keine Panik verbreiten. Und ich kann garantieren, daß in einigen Tagen in der Festung von Mulay-Ali nicht mehr Mulay-Ali herrscht, sondern Panik.«
»Und all die armen Menschen, die flüchten?«
»Es wird ihnen nicht schaden, ein wenig zu rennen.
Außerdem werden sie auf diese Weise einen Tyrannen
los«, bemerkte der Navarrese. »Sie ziehen nach Norden und werden unterwegs erzählen, daß sie >mit eigenen Augen< gesehen haben, wie Dutzende nach Attacken tollwütiger Bestien starben. Mit das erste, was ich im Seminar gelernt habe, war, daß aus einem Gerücht nur zu oft eine Realität wird.« Er lächelte etwas spitzbü-
bisch. »Vor allem dann, wenn sich unter die Flüchtenden die vierzig Frauen unserer guten Freundin Yadiyadiara mischen, die Stein und Bein schwören, daß ihre Eltern oder ihre Kinder mit Schaum vor dem Mund
krepiert sind.«
»Hast du sie deshalb vorausgeschickt?« beunruhigte
sich Celeste.
»Sie wollten es so«, entgegnete der Ex-Jesuit. »Und ich halte das für eine großartige Idee. Das einzige, was diese Leute brauchen, um wie die Hasen zu rennen,
sind >Augenzeugen<.«
»Aber sie sind in großer Gefahr. Es sind Yorubas auf dem Land der Ibos.«
»Mein liebes Mädchen!« lachte der andere. »In diesen Augenblicken gibt es keine Ibos, Yorubas, Haussas
oder Fulbe mehr. Das einzige, was jetzt noch zählt, ist die Angst.« Er schnalzte mit der Zunge, als hätte ihn niemals etwas mehr amüsiert, bevor er hinzufügte: »Ich verwette meinen Kopf, daß die Soldaten unseres be-rühmten Königs vom Niger bald viel Munition ver-
schwenden und auf alle Füchse, Leoparden, Hyänen,
Makaken oder Schimpansen feuern werden, die ihnen
begegnen.«
»Wenn ich das recht verstehe…«, mischte sich Sancho Mendana ein, der bislang schweigend die Szene verfolgt hatte, »dann haben wir vielleicht alle Tiere des Urwalds und der Savanne zu unseren Verbündeten gemacht.«
»Sehr zu ihrem Leidwesen, aber das ist im Grunde die Absicht«, räumte der Navarrese ein. »Nicht nur Männer, Frauen und Kinder, sondern auch Wildschweine,
Reiher und Fledermäuse tragen unfreiwillig dazu bei, in den Reihen dieses Hurensohns Verwirrung zu stiften, denn eines dürfte klar sein: Gegen die Tollwut ist kein Kraut gewachsen.«
»Aber was ist die Tollwut genau?« wollte Miguel He-
redia wissen. »Wie bricht sie aus und warum?«
»Ich habe nicht die leiseste Idee«, mußte sein Ge-
genüber zugeben. »Die Eingeborenen versichern, wenn Elegba wütend wird, spuckt sie aus,
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