Piratin der Freiheit
davon geträumt hatte, eine jener blutrünstigen Penisver-schlingerinnen hätte sich heimlich in seine Hütte ge-schlichen, um ihn aus tiefster Finsternis heraus zu at-tackieren.
Das war kein Leben!
Mit der Zeit war er zu dem Schluß gekommen, daß, so ehrenvoll seine Ernennung zum Kommandanten eines
strategisch so wichtigen Grenzpostens auch war und so absolut er seine Macht auch ausübte, ihn das nicht für die ständigen Angstausbrüche entschädigte, die es bedeutete, sich jede Nacht schlafen zu legen, ohne die vollkommene Sicherheit zu haben, am nächsten Morgen aufzuwachen und seine Genitalien noch dort zu
haben, wo sie hingehörten.
Daher mußte er sich immer wieder die Augen reiben,
als eines schönen Morgens der Wachposten auf dem
Turm seine Waffe abfeuerte und damit ein großes, fest-lich geschmücktes Kanu ankündigte, das sich mit einer Ladung aus zwanzig wunderschönen Yoruba-Frauen
näherte, die sangen, lachten und ihnen freundschaftlich zuwinkten. Er fragte sich, ob er immer noch träumte.
»Ein Geschenk von Mulay-Ali!«
»Ein Geschenk von Mulay-Ali?« wiederholte er wie
ein Idiot. »Nicht möglich!«
»O doch!« erwiderte fröhlich die sympathische Frau, die offenbar die Gruppe anführte. »Der König konnte den Feind, der die Küste heimsuchte, besiegen, der
Handel wurde wiederaufgenommen, und jetzt belohnt
er die Treue seiner Männer mit den schönsten Frauen aus Ouidha, Winneba und Takoradi und spendiert dazu ein Faß Rum aus Jamaika.«
Echter Rum, richtige Frauen und köstliche Yoruba-
Speisen: Das war mehr, als sich die Gruppe Männer,
die schon Jahre an der gottverlassenen Grenze eines feindlichen Territoriums zugebracht hatten, je hätten träumen lassen. So tobte in dieser Nacht im Innenhof der Festung von Ihjaia eine absolut verrückte und unvergeßliche Orgie, und in derselben Nacht besuchte
»M’ba uazede«, der erigierte Tod, das rechte Ufer des großen Niger und raffte zwei Dutzend Männer dahin.
Die wenigen Überlebenden der wilden Sauferei er-
wachten in Ketten in einem der Sklavenverliese. Alke-my Makü verlor den Rest an Haltung und Autorität, als er sah, wie ein Weißer, dessen Gesicht von einer gro-
ßen Narbe entstellt war, den Raum betrat.
Dessen Ruf als unerbittlicher, grausamer und ent-
schlossener Feind Mulay-Alis hatte sich schon vor einiger Zeit vom Ufer des Meeres bis zu den Grenzen der Wüste verbreitet.
»Pater Barbas!«
»Du sagst es. Pater Barbas. Und du bist Alkemy Ma-
kü, Schänder, Mörder und Verräter an deinem Volk, an dessen Versklavung du mitschuldig geworden bist, als du dich in die Dienste seines schlimmsten Feindes be-geben hast.«
Der Yoruba wies nur stumm auf sein Brandzeichen
auf seinem linken Arm, eine verkleinerte Kopie des
persönlichen Brandeisens des Königs vom Niger.
»Und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?«
fragte er bitter. »Als sie mich gefangennahmen, durfte ich wählen: entweder mit dem Brandzeichen auf dem
Arm Soldat oder mit dem Brandzeichen auf der Brust
Sklave zu werden.«
»Wer seine eigenen Brüder versklavt, ist tausendmal schlimmer als der schlimmste seiner Feinde«, konstatierte der ehemalige Jesuit. »Laß die Frau eintreten!«
Yadiyadiara, die an der Tür wartete, machte ein Zeichen, und sofort trat eine dicke Frau mit blendend-
weißem Gebiß ein. Diese richtete ihre haßerfüllten Augen auf den Schoß des zu Tode erschrockenen Alkemy
Makü, der sich plötzlich wie eine Wurst in der Hunde-hütte fühlte.
»Das ist Katsina, deren Töchter du unzählige Male geschändet hast. Sie will sich rächen, indem sie dich ohne Penis und Hoden ins Jenseits schickt, damit du die
Ewigkeit damit verbringst, deine Männlichkeit zwi-
schen Exkrementen zu suchen. Und wir alle wissen,
daß kein Kastrierter jemals ins Paradies der Krieger eingegangen ist…« Der Navarrese lächelte fast selig.
»Es hängt von dir ab, ob sie dich vollständig oder in Stücken begraben.«
»Was soll ich tun?« flüsterte der zitternde Sünder hastig.
»Mir alles, was du über die Garnisonen am Fluß und
über die Zitadelle Mulay-Alis weißt, erzählen.«
»Die Zitadelle?« wiederholte der andere in höchster Verblüffung. »Denkst du vielleicht daran, eine Festung anzugreifen, die von sechzig Kanonen geschützt ist?«
»Wir haben über hundert«, lautete die gelassene Antwort. »Außerdem sind sie besser, moderner, größer und schießen weiter. Aber ich muß wissen, wie viele Männer die Stadt
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