Piratin der Freiheit
und wenn ihre
Spucke auf dem Weg zum Boden ein Tier trifft, dann
infiziert sich dieses mit dem Zorn der Göttin und verbreitet ihn, indem es alle beißt, die sich ihm in den Weg stellen.« Der Bärtige lächelte ein wenig. »Das ist vielleicht nur eine dumme Legende, Tatsache ist, daß dieser Kontinent von Zeit zu Zeit von unkontrollierten Tollwutausbrüchen heimgesucht wird, an denen Menschen und Tiere wie die Fliegen sterben, ohne daß jemand sagen könnte, wie die Tollwut beginnt und wie
sie endet.«
»Es gefällt mir nicht, mit der Panik dieser armen Menschen zu spielen…«, murmelte Celeste Heredia leise.
Pedro Barbas musterte sie leicht verblüfft, bevor er antwortete:
»Das tun wir, um sie vor einem schlimmeren und na-
türlich viel realeren Übel zu befreien.«
»Der Zweck heiligt also wieder einmal die Mittel«,
bemerkte Celeste im gleichen Tonfall. »Behaupten das nicht die Inquisitoren, wenn sie einen Ketzer verbrennen?«
»Ich bin weder Inquisitor, noch verbrenne ich Ketzer«, erwiderte der Ex-Jesuit recht schroff. »Ich will unsere Feinde mit der einzigen Waffe vernichten, die Gott mir gegeben hat: die Intelligenz.«
»Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich verstehe die Gründe, und vielleicht können wir nur so einen ungleichen Kampf gewinnen. Aber ich muß einfach daran denken, was all diese Kinder fühlen, die ihre Häuser verlassen müssen und sich auf dem Weg umse-hen, als könnte sie aus jeder Ecke der Tod anfallen.«
»Wenn auf diese Weise auch nur ein einziger weniger als Sklave endet, dann war das schon die Mühe wert«, mischte sich Sancho Mendana ein und schlug sich damit offen auf die Seite des Navarresen. »Letztendlich bringen wir niemanden um, nicht einmal einen räudigen Hund.«
»Das stimmt nun nicht«, bemerkte Padre Barbas mit
dem Anflug eines Lächelns. »Ich habe den Frauen be-
fohlen, Hunde zu töten und ihnen schön sichtbar etwas mit Mehl geschlagenes Eiweiß einzuflößen.« Er zwinkerte. »Man muß auf die Details achten.«
»Donnerwetter…!« rief der Artillerist aus. »Ihr habt den falschen Beruf ergriffen. Ihr hättet Soldat werden sollen und kein Priester.«
»Den falschen Beruf habe ich nicht«, kommentierte
der andere. »Ich streife nur schon jahrelang durch diese Urwälder und habe so manchen Trick gelernt. Wenn
dich Menschen und Tiere jagen, wird dir das Überleben verdammt schwer. Wenn du da die Schwächen deiner
Feinde nicht kennst, bist du tot. Die Weißen geraten bei der Pest in Panik, die Schwarzen bei der Tollwut. Darin liegt der Unterschied.«
»In der Tat…«, räumte der Engländer Reuter ein. »Ich nehme an, wenn einer das Gerücht verbreiten würde,
daß eine Pestepidemie auf London zukommt, dann wür-
den sogar die Wachen im Tower Fersengeld geben.«
Mitfühlend tätschelte er Celestes Hand. »Ich verstehe deine Gründe«, murmelte er. »Aber als Soldat muß ich bei einer Initiative, die viele Leben retten kann, einfach Beifall klatschen.«
»Beifall klatsche ich zwar nicht, aber ich akzeptiere sie«, räumte sie ein. »Schließlich kannte ich den Plan ja vorher. Manchmal überfallen mich nur einfach Zweifel angesichts unserer Methoden bei diesem Unternehmen.«
»Wehe dem Kapitän, den niemals Zweifel überfal-
len!« grunzte Buenarrivo, der erstaunlicherweise bislang den Mund noch nicht aufgemacht hatte. »Der
Zweifel ist das Schicksal eines jeden guten Kapitäns.
Ich bin allerdings mit Reuter einer Meinung: Papageien und Affen als Verbündete zu haben ist einfach großartig. Und wie ich immer sage: Es gibt keinen besseren Verbündeten als den, der von seinem Glück gar nichts weiß.«
Am nächsten Morgen befahl Celeste, die Fahrt auf
dem ruhigen Fluß wiederaufzunehmen. An dessen
Ufern verschwanden langsam die letzten Reste der Ur-waldvegetation und wichen schattigen Akazien, grotesk aussehenden Affenbrotbäumen und gedrungenen Palmen. Dazwischen sah man immer öfter einzelne Hütten oder kleine Dörfer, die jedoch gespenstisch verlassen wirkten.
Dagegen wurde die Tierwelt immer vielfältiger. Ele-
fanten, Büffel, Gnus, Antilopen und Paviane schienen sich dazu entschlossen zu haben, massenweise ans Ufer zu kommen und dabei zuzusehen, wie die Schiffe vor-beifuhren. Als sie schließlich am späten Vormittag ein kleines Wäldchen erblickten, durch das eine stolze, gleichgültige Giraffenfamilie streifte, schienen die Männer der Dama de Plata endlich zu akzeptieren, daß sie sich im Herzen eines neuen und
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