Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)
Koje zu kriechen.”
Ich blinzelte verschlafen und erkannte Monty, der mit einem Kaffee vor meinem Blickfeld herumwedelte und die Tasse schließlich auf dem Nachttisch absetzte.
„Trink einen Schluck, und wenn Du wach bist, komm rüber zu mir!”
Ich richtete mich auf. Unten fuhr bimmelnd eine Straßenbahn vorüber und ließ die Scheiben der Fenster vibrieren. Die Sonne blitzte herein, stach in die Augen, und ein Axtmörder weckte mich mit einer Tasse Kaffee. Es klang wie der erste Satz aus einem unrealistischen, vermurksten Roman: ›Der Morgen, an dem ich buchstäblich in der Küche explodierte, war ein Sonntag gewesen. Ich hatte ihn größtenteils mit meinem Mörder verbracht.‹
Ich war gespannt auf das, was als nächstes geschah.
„Oh, Mann, du siehst nach dem Aufwachen fürchterlich aus. Hat dir das schon mal jemand gesagt?”
„Was?”, stotterte ich und rieb mir die Augen. Der Mann, der mir Vorwürfe bezüglich meines Aussehens machte, sah aus wie eine Art schizophrener Zirkus-Bruce-Willis: kahler Schädel, orangefarbenes Hemd und lila Hose. Er hantierte mit einer Platte an der Stereoanlage herum.
„Okay, Kaffee allein reicht nicht aus, dich aus den Federn zu kriegen. Versuchen wir’s hiermit ...!”
Der Tonarm setzte auf die Platte. Gitarrenklänge ertönten, und die Stimme von Roger Whittaker verseuchte die Luft. Ich sprang aus dem Bett.
„Scheiße, Monty, was soll dieser Mist!?”
„Trink den Kaffee und komm rüber. Außerdem bin ich der Meinung, dass Roger Whittaker als Gitarrist immer unterschätzt worden ist. Jimmy Page ist ein Loser dagegen.”
Ich nahm den Tonarm von der Platte, kramte meine Kleider zusammen und schlurfte ins Bad. Monty hatte Recht. Ich sah fürchterlich aus. Meine Zähne waren gelb vom Nikotin, mein Haaransatz ging unaufhaltsam zurück, ich war unrasiert und zudem schlecht gelaunt. Mein Leben geriet mehr und mehr aus den Fugen, und die Indizien häuften sich, dass ich mich seit zehn Tagen nicht in einer anderen Stadt, sondern in einer psychiatrischen Anstalt befand. Es war wie mit vierzehn, als ich mich mit meinen alten Freunde von damals in metaphysische Gespräche verstrickte: Woher wissen wir, dass wir tatsächlich existieren und nicht nur der Traum von jemand anderem sind? Stellt Euch vor, wir alle sind nichts weiter als nur so eine Art Projektion, und wir können nichts dagegen tun. Woher wissen wir, dass das, was wir sehen, riechen, hören, tasten und fühlen, wirklich real ist? Wenn man solchen Stuss lange genug diskutiert, stellt sich der Wahnsinn von selbst ein. So musste es sein. Ich war meschugge geworden und mein ramponiertes Hirn in ein Paralleluniversum geplumpst, in dem alles, was ich einmal kannte, durch etwas Fremdes und Unverständliches ersetzt worden war. Dalí und Buñuel ließen grüßen.
Als ich eintrat, den Kaffee in der Hand, räumte Monty diverse Putzutensilien zusammen. Er hatte seine Fenster auf Hochglanz gebracht und trug eine Schürze.
„Also gut”, legte ich los. „Ja, ich bin in deinen Zimmern gewesen, und ja, ich hab’ mir das Band angeguckt. Du hast mich voll und ganz richtig beurteilt. Du hast mich drangekriegt. Ich hab’ an die Möglichkeit, du könntest irgendwo Nylon-Fäden verstecken, nicht mal gedacht!”
„Ich weiß, dass ich dich drangekriegt habe. Weil ich dir nämlich auch was eingestehen muss. Ich hab’ gar keine Nylon-Fäden versteckt. Und wenn ich nicht gewollt hätte, dass du meine Zimmer betrittst, hätte ich einfach die Tür abgeschlossen, okay?”
„Du hast keine Nylon-Fäden versteckt?”
„Nein. Wieso sollte ich? Leide ich an Paranoia? Bin ich ein Perverser, der darauf aus ist, andere zu überwachen, auch wenn ich nicht da bin?”
„Ich versteh’ nicht. Was sollte dann die ganze Show? Ich mein’, die Sache mit dem Video, dem Heft, so was ist doch nicht normal ...”
„Scheinbar doch, sonst hätte es nicht funktioniert. Du bist blind in meine Falle getappt. Und jetzt, Peevee, setz dich hin, damit wir beide Klartext reden können.”
Ich setzte mich. Er legte seine Schürze ab, stellte sich hinter mich und legte mir seine Hände auf die Schulter. Ich zuckte unwillkürlich zusammen.
„Siehst du? Du zuckst. Genau das ist dein Problem. Du ziehst zu einem Typen in die Wohnung, den du nicht kennst. Du hörst dich ein bisschen um, man erzählt dir Geschichten über ihn, und schließlich kriegst du’s mit der Angst zu tun. Der Typ begegnet dir endlich, aber du findest seine Klamotten abscheulich.
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