Pitch Black
und Mutter zu sein. Dann dachte er an Maddie, die Ethan ganz allein erziehen musste. Kates Beschuldigung würde ihr das Leben schwer machen, egal ob sie stimmte oder nicht.
»Setzen wir uns doch«, schlug er ruhig vor und deutete auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. »Möchtet ihr was trinken?«
»Nein danke«, entgegnete Bobby und zog für Kate den Stuhl zurück.
Kate setzte sich und schüttelte heftig den Kopf. »Ich will nur eins: dass Sie diesen Jungen verhaften, bevor er noch jemanden umbringt.«
Gabe setzte sich und verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. Dabei fiel ihm auf, dass sie zitterten.
Er versuchte gar nicht erst, sie davon zu überzeugen, dass Ethan niemanden umgebracht hatte. Selbst wenn ihre wüsten Anschuldigungen bezüglich der Tabletten stimmten, war Jordan ja schließlich noch am Leben. Und auch wenn die Einrichtung, in der das mutmaßliche Verbrechen stattgefunden hatte, nicht in seinem Zuständigkeitsbereich lag, wollte er sie nicht wegschicken. Damit würde er nur erreichen, dass sie die Gerüchte noch mehr anheizten, die jetzt bereits in der Stadt herumgeisterten.
»Gehen wir noch mal einen Schritt zurück«, sagte er. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Kate rutschte zum Rand ihres Stuhls vor und klopfte mit den Fingernägeln auf Gabes Schreibtisch, als wolle sie jedes Wort betonen. »Gestern hat Ethan Wade meinen Sohn besucht. Er hat irgendwas gesagt oder getan, was Jordan völlig hysterisch werden ließ. Wir mussten das Zimmer verlassen, weil der Doktor auf dem Weg zu ihm war. Dreißig Minuten später hat die Krankenschwester Jordan bewusstlos aufgefunden. Niemand im Stresszentrum kann sich erklären, wie er an die Tabletten gekommen ist oder warum er sie genommen haben sollte. Sie passen sehr sorgfältig auf ihre Medikamente auf. Kein Unbefugter kommt an sie heran. Sie werden in einem Schrank mit Sicherheitsschloss verwahrt.«
Aus ihren letzten Sätzen konnte Gabe deutlich die Phrasen des Krankenhauses heraushören. Es war oft genug vorgekommen, dass verkehrte Medikamente verabreicht worden waren oder man Medizin unbeaufsichtigt gelassen hatte. All das konnte dazu führen, dass so etwas wie jetzt mit Jordan passierte. Letztes Jahr hatte es im County-Krankenhaus einen ähnlichen Fall gegeben, der in einen üblen Rechtsstreit ausgeartet war. Als Verteidigungsstrategie hatte die Einrichtung sich sofort abgeschottet und keine Informationen mehr herausgerückt. Gabe nahm an, dass es überall so ablief.
»Wie kommen Sie darauf, dass Ethan irgendwas mit Jordans Überdosis zu tun hat?«
»Wer denn sonst? Er war gestern der einzige Besucher…er und seine Mutter. Vermutlich hat er Jordan gezwungen, die Tabletten zu nehmen. Darum war Jordan auch so hysterisch.«
Mein Gott, was konnte wohl noch alles passieren, um Maddie das Leben zur Hölle zu machen?
»Hat das Krankenhaus die Polizei angerufen und den Vorfall angezeigt?«, fragte Gabe.
Nach einem Moment des Schweigens sagte sie: »Nein, das nicht.«
»Sie untersuchen die Sache erst selbst«, fügte Bobby hinzu.
Kates Gesicht verhärtete sich, und sie senkte die Stimme. Ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz angenommen. »Natürlich kennen die nicht die ganze Geschichte. Ich habe nachgedacht…« Sie schwieg einen Moment. »Alles andere ergibt keinen Sinn. Ich bin sicher, dieser Junge hat auch Steve umgebracht.«
»Oha.« Gabe hob die Hand. »Anschuldigungen ohne Fakten und Beweise bringen uns nicht weiter.«
»Wer sollte es denn sonst getan haben?« Sie beugte sich vor. »Die anderen Jungen kennen wir schon ihr Leben lang. Sie haben Steve angebetet.« Sie lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bevor dieser Ethan und seine Mutter hier aufgetaucht sind, ist so etwas nie vorgekommen.« Und nach einer kurzen Pause fuhr sie mit verkniffenem Mund fort: »Sie wissen ja, dass er adoptiert ist–und das ist noch gar nicht so lange her. Die meiste Zeit seines Lebens hat er wie ein wildes Tier gelebt. Wer weiß, was er in der Vergangenheit alles angestellt hat. Vermutlich war das der eigentliche Grund, warum sie vom Norden hier runtergezogen sind, weil sie möglichst weit weg wollten von dem, was er gemacht hatte.«
Einen Moment lang saß Gabe regungslos da und wunderte sich, wie sehr sich Kate verändert hatte. Noch nie hatte er diese unterwürfige, willenlose Frau so energisch erlebt. Bei der Atmosphäre, die sowieso schon in der Stadt herrschte, konnte sie leicht einen Aufruhr
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