Pitch (German Edition)
zu.
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Bitte
recht freundlich, …
… Herr
Worbs, er ist über die Bundesstraße gefahren und hat sich
dabei von jeder Radaranlage blitzen lassen, fast jede Aufnahme davon
wird ihn später mit einer Hand wild gestikulierend zeigen,
offensichtlich hat er während der ganzen Fahrt von seiner
Freisprechanlage Gebrauch gemacht, das erste Gespräch hat er mit
seinem Sekretariat geführt, erfahren hat er müssen, dass
Mellendorf die gesamte Befehlsgewalt an sich gerissen und zugleich Business as usual befohlen hat, alle
aber, die von Karl Keisers Zusammenbruch wüssten, stünden
unter Schock, man arbeite wie in Trance, alles liefe wie in Zeitlupe,
nicht für ihn, ruft Worbs ins Telefon, er rase gerade über
die Seenplatte, weil auf dieser Scheißautobahn lauter Staus
gemeldet worden seien, nur sei diese Scheißbundesstraße
nicht einen Funken besser, weil sie so eng sei, wegen diesen
Scheißalleen, man könne hier einfach überhaupt nicht
so überholen, wie er dass jetzt eigentlich müsse, um seinen
Flug zu bekommen, kaum gesagt, hat er einen Kombi überholt, dass
er noch mitten im Ort ist, hat er gar nicht gemerkt, zu weit
auseinander liegen die Häuser, zu ländlich ist der
allgemeine Eindruck, zu weit hinter ihm das eben erst passierte
Ortsschild, längst meint er, das Kaff bereits wieder verlassen
zu haben, aber nein, gehalten hat der Kombi vor einem Zebrastreifen
und da kommt ihm schon ein Passant in die Quere, gerade noch kann
jener beiseite springen, schier aber wäre der ihm auf der
Kühlerhaube gelandet, gut, dass ihm nur die Tasche aus der Hand
fällt, Blätter wirbeln durch die Luft, eines legt sich
platt auf die Windschutzscheibe, so dass Worbs einen Moment lang gar
nichts mehr sieht, außer einen mit Druckbuchstaben
geschriebenen Namen, dann wirbelt der schnell betätigte
Scheibenwischer das Blatt in die Luft, im Rückspiegel sieht
Worbs es hinter dem Wagen in weit ausholenden Schwüngen zur Erde
gleiten, er sieht den älteren Mann, der gestürzt ist, sich
erheben und mit der Fahrerin des
Kombis sprechen, sie starren ihm hinterher, Scheiße, sagt er, das sagten Sie schon,
sagt Ulla Mertesacker, seine Sekretärin, die das Ganze am
Telefon als eine Lautfolge von quietschenden Reifen und lautem Hupen
mitverfolgt hat, ihr entgeht jedoch, dass Worbs, bitte recht
freundlich gerade wieder geblitzt worden ist, dann hat er den Ort
verlassen, er trägt seiner Sekretärin auf, den Flughafen
anzurufen und dafür zu sorgen, dass sein Flug nicht ohne ihn
abgeht, davor aber soll sie ihn noch mit dem Aufsichtsrat verbinden,
das dauert ein bisschen, eigentlich, denkt Worbs, ist bislang alles
gut gelaufen, wie geschmiert gewissermaßen, jetzt aber ist mit
einem Mal alles bedroht, durch Mellendorf, den er doch schon so gut
wie kalt gestellt hatte, Herrgott, er war doch bereits auf der
Zielgeraden gewesen, Keiser hätte ihn, da ist er sicher, in den
nächsten Wochen als Nachfolger vorgeschlagen, nun muss Keiser
ausgerechnet heute zusammenklappen, ausgerechnet wenn er nicht da
ist, ausgerechnet an einem Tag, an dem mit der Wahl der Agentur eine
Weiche für die künftige Kommunikationsstrategie gestellt
wird, die MegaFin-Geschichte, sein Baby, eine Innovation, die er
überhaupt erst ermöglicht hat, mit seinen Verbindungen zur
Ölindustrie, aus deren Sümpfen er sich mit seinem Wechsel
in die Automobilbranche so geschickt befreit hat, er muss daran
denken, wie geschickt, wie ungemein raffiniert, alle waren sie in den
Ruch der Korruption geraten, die Manager, die Politiker, ja, selbst
einige Regierungschefs, nur ihm selbst war es gelungen, Strippen zu
ziehen, ohne als Strippenzieher bei irgendwem ins Blickfeld zu
geraten, nicht nur Öl und Benzin waren dabei geflossen, sondern
vor allem Millionen, viele Millionen und zwar den Bach hinab, direkt
in die Taschen derjenigen, die noch bei weitem am sinnvollsten das
Geld einzusetzen wussten, zum Beispiel für ein Feriendomizil in
attraktiver Uferlage, so wie er, nun also hat er das alles schon
lange glücklich hinter sich gelassen, hat neue Aufgaben gefunden
und ist dabei, mit MegaFin ganz groß rauszukommen, er ist nur
noch einen Schritt von seinem Ziel entfernt, und jetzt das, hallo
Michael, sind Sie das, fragt eine Stimme über die
Freisprechanlage, ja Jürgen, ich grüße Sie, tut mir
leid, Sie stören zu müssen, haben Sie das mit Karl gehört,
ja, habe ich, sagt Jürgen Fontaine, Vorstand einer
großen deutschen Bank und Aufsichtsratsvorsitzender des Automobilkonzerns, in
dem
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