Pitch (German Edition)
nachdenklichem Gesicht, die
von der Kamera vor dem Vorzimmer von Keisers Büro eingefangen
wird, Fontaine blickt in ein leeres Zimmer, das noch Spuren trägt
von Inge Rufs Räumungsaktionen, peinliche Ordnung nämlich,
Fontaines Gesicht verschwindet aus dem Blickfeld der Kamera in die
Verborgenheit des Vorstandsbüros, in dem er sich für mehr
als eine Stunde aufhalten wird, bis er seinen Fahrer anruft, um sich
zu diesem Thai fahren zu lassen, beunruhigt denkt Fontaine in der
Stille des Büros über Mellendorfs Unverfrorenheit nach, was
für eine Strategie mochte der verfolgen, er hat Mellendorf nie
leiden mögen, und mit flauem Gefühl erinnert er sich an
ihre Begegnung in Kuala Lumpur, nur um sie gleich wieder zu
verdrängen, versteinert und ausdruckslos sein Gesicht, nichts
dringt nach außen von diesen Gedanken, sie bleiben den Kameras
genauso verborgen wie dem Wachmann Gölz, der jetzt eben mal auf
der Toilette bei offener Tür strullert, während ein anderer
Bildschirm Mellendorf und seinen Schatten zeigt, wie sie das
Unternehmen verlassen, in den Wagen steigen und die Hauptpforte
passieren, gefolgt von einem Taxi, das vor der Pforte gewartet hat
und in dem einer der zwei Herren sitzt, die sich dort den ganzen Tag
über aufgehalten haben, und erst als beide Fahrzeuge den
Sichtkreis der Kameras verlassen haben, kommt Ingo Gölz, den
Reißverschluss hochziehend und noch einen Furz herauspressend,
vom Klo und beginnt mit ungewaschenen Händen in seiner Tasche zu
kramen, denn schließlich hat er sich was Nettes zu lesen
eingepackt.
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Ulla
Mertesacker …
… hat
einige Kolleginnen aus der Buchhaltung verständigt, mit denen
sie auch privat ab und zu etwas unternimmt, sie ist noch völlig
geschockt, sie kann nicht weinen, obwohl sie glaubt, dass ihr danach
sein müsste, stattdessen lacht sie mitunter hysterisch über
Kleinigkeiten, Frau Worbs meinte, dass der Unfall kurz vor zwölf
geschehen sein müsse, unmittelbar nach unserem Telefonat, sie
sagt das vor sich hin, erzählt auch von seiner Schimpftirade,
scheiße sei dies, scheiße das gewesen, wieder giggelt
Lachen aus ihr heraus, und prompt nach dem Auflegen, Bumm , Zack , ein Aufprall und das Leben ist vorbei, zu trösten
versuchen sie ihre Kolleginnen, tot sei er doch nicht, vielleicht
werde ja auch alles wieder gut und er sei bald wieder gesund und
munter, würde hier aufkreuzen in alter Frische, nein, sagt Ulla
Mertesacker, nein, das hier ist schlimmer, sie hat sich so
aussichtslos angehört, seine Frau, aber, sagt da plötzlich
Anneliese Mögenberger aus der Debitorenbuchhaltung, oft hast du
auch gesagt, dass er ein Arsch sei, betretenes Schweigen, auch
Anneliese hält sich sofort die Hand vor den Mund und wird rot,
es ist ihr nur so herausgerutscht und sie wünschte, sie hätte
es nicht gesagt, dann bricht das Unwetter ihrer Kolleginnen über
sie herein, nein, das hat Ulla nie gesagt, und wenn schon, manchmal
ist doch jeder ein A… und überhaupt, darauf kommt es doch
jetzt gar nicht an, wie kann man nur so etwas sagen, Ulla selbst
hingegen schweigt, sie sitzt nur da und denkt daran, wie arrogant
Worbs ihr gegenüber immer war, wie er sie herumkommandierte, wie
eine Sklavin, und so sagt sie in die wieder eintretende Stille
hinein, doch, er war ein Arschloch, nun schauen alle Ulla an,
plötzlich klingelt das Telefon, nicht schrill und laut, sondern
unüberhörbar leise, Ulla nimmt ab, sie sieht, dass es eine
interne Nummer ist, Karl Keisers Apparat, sie meldet sich fragend mit
ihrem Namen, Mertesacker … guten Tag, Herr Fontaine …
ja, natürlich ... ich bin gleich bei Ihnen, sie legt auf, Jürgen
Fontaine will mich sprechen, aber bleibt ruhig da, sie steht auf,
rückt ihren Rock etwas zurecht, nimmt ihr Jackett von der
Garderobe, bis später, sagt sie und geht los, durch die
inzwischen leeren Gänge, sie hört noch wie ihre Kolleginnen
murmeln, unvorstellbar, erst Keiser, dann Worbs, was wird da noch
kommen, wie wird es weitergehen, wie es weitergeht, hört Ulla
schon nicht mehr, sie ist bereits im Aufzug, die Abstände
zwischen den Büros der Vorstände sind mit Bedacht groß
gewählt, denn jeder braucht eine Sphäre, in der er wirken
kann, auch sie wird auf ihrem Weg von den Kameras eingefangen und
erscheint großflächig auf den Monitoren des Wachraums,
doch Ingo Gölz gönnt ihr keine Aufmerksamkeit, er hat
gerade alle Hände voll zu tun, mit sich selbst nämlich, der
Wachraum ist einer der wenigen nicht überwachten Räume des
gesamten
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