Pitch (German Edition)
bei Klauseln, die das Recht Altenbergs betreffen,
Umstrukturierungen und Rationalisierungen durchzuführen, die
beiden Controller sind junge Leute, sie kommen direkt von der
Universität, sie haben glänzende Leistungen erbracht und
sind vom Arbeitsmarkt weggefischt worden, zu Altenberg sind sie
gelaufen, wie viele, die er mit Geld gekauft hat, schnell haben sie
Karriere gemacht, diese Apparatschiks des entfesselten Kapitalismus,
Söhne sind sie bekehrter Altachtundsechziger, die ihnen als
Lehre mit auf den Weg gegeben haben, dass Ideale nur eine andere Form
seien, durch die Instanzen nach ganz oben zu gelangen, Abkürzungen
damals, Umwege heute, die man nun nicht mehr gehen müsse, und
die diese Söhne folglich auch nicht mehr gegangen sind,
Verteilungskämpfe wollen sie gar nicht vermeiden oder gerecht
lösen, sondern nur noch gewinnen, so schauen sie auf den alten
Ferdinand mit Neid und Herablassung zugleich, sie wissen ja, was er
für diesen Schuppen wird einstecken dürfen und sie
verachten die Sentimentalität, mit der der Alte von seinem
Lebenswerk Abschied nimmt, weil sie eben auch von Werken und Werten
keine Ahnung haben, nur von Preisen und Zahlen, die sich für sie
rechnen, auch Altenberg bemerkt Ferdis Zögern, Ferdinand, sagt
er, denken Sie an das Geld, lächelnd sagt er das, machen Sie
sich einen schönen Lebensabend, reisen Sie, nehmen Sie sich eine
Geliebte, machen Sie alle diese Dinge, die Sie sich gerade nur mit
einem schlechten Gewissen leisten, aber von Lachmann-Zeil zögert
noch immer, er fühlt sich wie einer, der Reichtümer ohne
Freude sammelt, weil er nicht weiß, wem er sie hinterlassen
wird, er denkt an die Jahre zurück, an die schönen Momente,
und an die harten, als es Spitz auf Knopf stand und er die
Unabhängigkeit verfluchte, von der er sich jetzt nicht lösen
kann, Sie sind ja, sagt Altenberg, nicht sofort weg, ein paar Jahre
noch, Zeit genug, diesen viel versprechenden jungen Mann zu Ihrem
Nachfolger aufzubauen, Zeit genug, sich langsam zurückzuziehen
und alles in guten Händen zu wissen, Ihre Agentur bleibt als
eigenständiges Unternehmen unter dem Dach der Data AvaNew
erhalten, das muss Ihnen doch eine Beruhigung sein, sagt er, aber
Ferdi zögert noch immer, ein Strich nur, und er wird sich seine
Entscheidungen von der Data AvaNew absegnen lassen müssen, ein
Strich nur, und seine Agentur hört auf, eine inhabergeführte
zu sein, aber eben auch ein Strich nur, und er verfügt wieder
über all die Reichtümer, die in den vergangenen Jahren zum
Treibgut der Wirtschaftsflaute geworden sind, er fühlt sich alt,
das sieht man, und er will sich wieder jung fühlen, unverkennbar
ist die Gier nach der zweiten Jugend, die ihm das Geld
wiederzugewinnen verspricht, Ferdinand, sagt Altenberg noch einmal,
sanft, und vielleicht gerade deshalb durchaus drängend, von
Lachmann-Zeil wird aus seinen Gedanken gerissen, wieder dirigiert
Altenberg mit seiner Rechten kaum merklich das Geschehen und Ferdi
erhält von Altenbergs Anwalt einen Füllfederhalter, und
Schecht und Gellert schauen regungslos zu, wie von Lachmann-Zeil
seinen Ferdinand unter das Dokument setzt.
82
Seine
Irrfahrt …
… durch
die Stadt spült Jo Neuhäuser im Strudel der Passanten durch
enge Gassen, vorbei an überhängenden Fachwerkbauten, vorbei
an Cafés, vor denen kaum Gebräunte bei Eistees und
Camparis in der Abendsonne sitzen, eine Welle von Flaneuren wirft ihn
auf seinem Weg zu Mellie Pomene direkt an die Gestade des Lokals, vor
dem gemeinsam mit türkischen Freundinnen Gül Nesin sitzt,
die, wie es das Gerücht will, mit deutschen Männern
flirtende Schwester Yaşars, vor ihr auf dem Tisch liegt
aufgeschlagen das Buch, in dem sie las, bevor ihre Freundinnen kamen,
nun reden die auf sie ein, sodass sie kaum mehr die Straßenmusikantin
hört, die nahebei am Brunnen stehend auf der Doppelflöte
spielt, Gül genießt das Gefühl der Freiheit, die sie
durchaus als Geschenk ansieht, sie weiß, was sie ihren Eltern
verdankt, die sie aufs Gymnasium haben gehen lassen, sie wird
studieren dürfen, sie weiß, dass ihre Eltern sie stärker
fördern als ihren Bruder, der in der Schule nie so gut gewesen
ist wie sie, Yaşar freilich macht ihr Sorgen, Halt sucht er bei
falschen Freunden, Ausgleich sucht er zu einer Umwelt, die ihn
täglich spüren lässt, dass er für sie immer ein
Türke bleiben wird, auch wenn er hier geboren ist, gerade hat
sie mit ihren Freundinnen davon gesprochen, da sieht sie Yaşar
auf sich zukommen, und
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