Pitch (German Edition)
Yaşar sieht sie, ohne Kopftuch, rauchend,
einen Tee trinkend, ihr Buch lesend, mit Freundinnen, Gül nickt
ihm zu, gereizt sieht er aus, Yaşar setzt sich zu ihnen und sie
beginnen, sich zu unterhalten, ruhig erst, aber bereits einander
belauernd, ungeduldig ist sein Ton und forsch, die Freundinnen ziehen
sich zurück an den Nachbartisch, während er glaubt, dass
sie etwas vor ihm verbergen möchte, befürchtet sie, dass er
ihr etwas unterstellen, vorwerfen, antun könnte, so wird aus
einem, wie geht‘s, schnell ein, was machst du hier, aus einer
Unterhaltung schnell ein Streit, unterschwellig, flüsternd,
zischend zunächst, dann lauter, sodass an Nachbartischen
Gespräche ins Stocken geraten und Blicke gewechselt werden, er
mahnt sie, an ihren Ruf zu denken, an den der Familie, und sie sagt
ihm, dass er sich da keine Sorgen machen muss, dochdoch, die macht er
sich und andere auch, wer das wohl sein mag, Sait Baykurt etwa, Sait
Baykurt ist ein Idiot, sagt sie, was immer er ist, er ist ein Freund,
von Yaşar vielleicht, von ihr wohl kaum, wie dem auch sei,
gesehen hat er sie, ach ja, und wo, hier, hier in diesem Café,
und gesprochen hat sie mit einem Mann, mit einem Deutschen, jetzt
dämmert es Gül, natürlich hat sie mit einem Deutschen
gesprochen, und richtig, hier war es gewesen, just an diesem Tisch,
gesessen hat sie hier, als die zwei kamen, das Pärchen, der
Schöne und die Schöne, die gefragt hatten, ob noch zwei
Plätze an ihrem Tisch frei seien, ja, hatte sie gesagt, was
hätte sie auch anderes sagen können, und sie hatten sich
gesetzt, dann, irgendwann, war die Frau auf die Toilette gegangen und
der Mann hatte ein paar freundliche Worte an sie gerichtet, über
das Wetter, den Frühling und den kommenden Sommer, in genau
dieser Minute, als sie mit dem Mann allein am Tisch gesessen ist und
sich mit ihm lachend und gut gelaunt unterhalten hat, muss Sait, der
Schwachkopf, sie gesehen haben, und sich an all dies erinnernd, hält
sie inne, sagt nichts mehr, streitet nichts mehr ab, sondern lässt
ihren Blick schweifen, über den Marktplatz, vorbei an dem
Brunnen und der Flötenspielerin, hinüber zu den Häusern
und die sich zwischen ihnen öffnende Altstadtgasse, aus der nun
genau der Mann herauskommt, mit dem sie nichts als ein paar
unverfängliche Worte gewechselt hat, der Schöne, der jetzt
im gelben Anzug auf sie zukommt, geschafft sieht er aus, verschwitzt,
verwirrt, direkt auf den Tisch läuft er zu, an dem sie mit Yaşar
sitzt, gerade noch hat sie ihm gegenüber abgestritten, sich hier
ehrvergessen mit einem Deutschen unterhalten zu haben, vor Schreck,
der Lüge bezichtigt zu werden, weiten sich ihre Augen und Yaşar
bemerkt es, er wendet sich um, folgt ihrem Blick, sieht den gelben
Mann und fragt, ist es der, ja, sagt Gül, der ist es.
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Bis
vor einen Augenblick …
… hat
Ute Erpe noch Flöte gespielt, für sie war es ein
freundlicher Tag gewesen, schön sonnig, ergiebig, die Leute
haben ihr viel in die Mütze geworfen, schlagartig aber hat sich
die Szene gewandelt, plötzlich stehen sich unmittelbar vor ihr
zwei Männer gegenüber, bedrohlich der eine, erschreckt der
andere, vor Stößen zurückweichend, ja wie, wird sie
ein paar Stunden später von ihrem Freund gefragt werden, einfach
so, eine Keilerei, ich kann es, wird sie erwidern, beim besten Willen
nicht sagen, ich habe nicht darauf geachtet, sagt sie, gemeinsam mit
ihrem Freund einen Joint rauchend, das war total strange , ich
glaube, der eine war ein Türke, sie versucht den Rauch möglichst
lange zu inhalieren, der hatte, glaub ich zumindest, sogar ein
Messer, wie, fragt er, glaubst du, hatte er eins oder hatte er keins,
das ging so schnell, entgegenet sie, da blitzte was, und
schnippschnapp flog dem andern ein Knopf vom Revers, echt, fragt er,
dann war das ja nicht ohne, auch er zieht mit Genuss am Tütchen,
legt sich zurück, hat denn niemand reagiert, fragt er, kennst ja
die Leute, sagt sie, die standen einfach so da oder gingen weiter,
hat denn, fragt er, niemand versucht, die beiden zu trennen, ja,
fragt sie zurück, hättst du denn Bock gehabt, dich mit so
einem Messertyp einzulassen, nee, sagt er, Bock nich, aber die
Courage, echt, fragt sie, du meinst, du hättst die Courage
gehabt, dich mit so ei‘m total aggressiven Kerl einzulassen,
der einen andern mit dem Messer bedroht, du traust dich doch nicht
mal, auf der Straße Musik zu machen, könnste nämlich
auch mal, nee, könnt ich nicht, sagt er, ich kann nämlich
nicht
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