Pitch (German Edition)
kennen Sie ihn nicht auch, fragt Zöller
seinen Kollegen, aber natürlich, sagt dieser und nickt Hoffmann
zu, der sagt brav, guten Tag, Herr Professor, guten Tag, Herr
Hoffmann, und Sie haben sich hier nun also an die schlechte
Unendlichkeit verkauft, hahaha, Hoffmann lacht beflissen, Sie wissen
ja, Herr Professor, grau ist alle Theorie ... na, unterbricht Zöller
die beiden, erleichtert, dass es ihm gelungen ist, über das
richtige Stichwort, den unliebsamen Gesprächspartner an den
unliebsamen Kollegen abzuschieben, die Frage ist doch, ob wir Herrn
Hoffmann vor der schlechten Unendlichkeit bewahren und für die
graue Theorie weiter hätten begeistern können, die Antwort
auf diese Frage, wirft Schlick ein, scheint uns von der Zeit
abgenommen worden zu sein, tatsächlich sogar, korrigiert sich
Schlick selbst, scheint mir die Frage so formuliert werden zu müssen,
ob es unserem jungen Freund denn möglich gewesen wäre, eine
andere Wahl zu treffen, wenn er etwas anderes gewollt hätte,
ganz recht, ganz recht, wirft Zöller anfeuernd ein, das große
Problem der Willensfreiheit klingt hier an, genau, sagt Schlick und
Hoffmann blickt irritiert von einem zum andern, ist es nicht sogar
fragwürdig, überlegt Schlick laut, ob er überhaupt
hätte anders wollen können, jetzt will sich Hoffmann aus
der wissenschaftliche Sezierung seines Willens durch einen eigenen
Beitrag befreien, ich denke schon, dass ich den Satz, dass ich anders
hätte wollen können, bejahen könnte, weil mein
subjektives Empfinden der Freiheit immer die eventuell gegebene
Determiniertheit übersteigt, was heißt hier eventuell ,
junger Mann, sagt Schlick, Kausalität ist der Kitt, der das
Universum zusammenhält, auch wenn wir niemals alle Determinanden
kennen können, Schlick wirft sich in professorale Pose, stellen
Sie sich einfach das Raum-Zeit-Kontinuum als Gitternetz vor, in dem
einzelne Ereignisse stattfinden und in dem Menschen agieren, die
glauben, aus freien Stücken zu handeln, so wie Sie vielleicht,
als Sie sich entschieden haben, in die Werbung zu gehen, in diesem
Gitternetz gibt es viele Ereignisse, an denen nur einzelne beteiligt
zu sein scheinen, während an anderen Ereignissen wiederum viele
beteiligt sind, verstehen Sie, das tut Hoffmann offensichtlich nicht,
aber Schlick ist nicht mehr zu bremsen, gut möglich also, dass
manche Ereignisse für manche Handelnde bloße Ereignisse
sind, während sie für andere Handlungen zu sein scheinen,
die sie willkürlich ausgeführt zu haben meinen, nicht wahr,
fragt er, völlig klar, murmelt ein völlig desorientierter
Hoffmann, sehen Sie, junger Mann, brüllt Schlick jetzt beinahe,
das ist das kantische Problem, dass man unmöglich hinter seine
eigene Vorstellung der Dinge zurücktreten könne, Zöller
kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und sagt leise, ich glaube,
ich kann jetzt nicht anders wollen, als mir dort drüben noch ein
Gläschen Sekt zu holen, und schon ist er weg, sagen Sie mal,
fragt Schlick nun den Texter, bevor wir klären, ob Sie anders
hätten wollen können, warum haben Sie denn
überhaupt gewollt, was Sie getan haben, er blickt Hoffmann in
die plötzlich vor Schreck geweiteten Augen, nun … äh
… beginnt er zu stottern, das war … sehen Sie …
so … dass ich … nun, ich glaube, ich muss einfach
zugeben, dass ich etwas … nun ausgebrannt war … zu
ausgelaugt, um an meinem Thema weiterzuarbeiten, und da, sehen Sie,
habe ich die Gelegenheit ergriffen, hier Texter zu werden, das lag
gewissermaßen auf der Hand, ich habe hier gejobbt, und ich
brauchte nur zu fragen, ein kurzes Praktikum, und plötzlich war
ich Texter, dann, unterbricht ihn Schlick, war es ja gar keine
bewusste willentlichen Entscheidung, sondern eher ein Fall der Akrasia ,
der Willensschwäche, tja, der Texter zuckt mit den Schultern,
wenn Sie‘s so drehen, was heißt hier drehen, entgegnet
der Philosoph, wir beleuchten einfach die Parameter Ihrer
Entscheidung und eventuell stellt sich heraus, dass es gar keine war,
anders gefragt, glauben Sie denn, dass Sie den Wunsch haben könnten,
sich zu wünschen, noch einmal Texter zu werden, aber Hoffmann
starrt nur vor sich hin, Schlick hakt nach, wie sind Sie denn dazu
gekommen, Ihren Chef um Arbeit zu bitten, nun, ich, äh, ich ... Hoffmanns Blick gleitet ab auf
der Suche nach einer Antwort, die er nicht findet, schließlich
sagt er, ich glaube, mir bot sich einfach die Gelegenheit und ich
habe sie ergriffen, Schlick schaut den Stammelnden bedauernd an,
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