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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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nichts zu tun. Wenn jemand schuld daran ist, dann Darwin.«
    »Darwin? Wer soll das denn sein?« Iwan stellte sich dumm. »Gehört der etwa auch zu eurem Haufen?«
    Der Graue wieherte los.
    »Nein, der gehört nicht zu unserem Haufen«, erläuterte der Oberführer geduldig. »Aber er hat die Evolutionstheorie in die Welt gesetzt. Ich habe schon ein paar Bücher gelesen, mir kann man so leicht nichts vormachen. Und diese Theorie besagt, dass wir vom Affen abstammen. Wir sind Arier. Das bedeutet, dass wir von irgendeinem arischen Uraffen abstammen. Vermutlich hat sich dieser arische Uraffe eine Menge auf sich eingebildet. Und die Sache mit den Negern ist ganz einfach. Hier unten gibt es kein Sonnenlicht, richtig? Und ohne Sonnenlicht wird in der Haut kein Vitamin D gebildet. Das heißt, sogar bei uns Weißen wird nur sehr wenig gebildet, selbst unter Tageslichtbeleuchtung wie an der Wosstanija oder an der Sadowaja . Und bei den Negern überhaupt keines. Die Ärmsten sind eben die südliche Sonne Afrikas gewohnt, ihre heimatlichen Elefantendschungel. Und so kommt das eben«, schloss er, als ob damit alles erklärt wäre.
    »Und so kommt was?«
    »Weißt du denn, wozu das Vitamin D gebraucht wird?«
    Iwan zuckte mit den Achseln.
    »Tja, Mann, es ermöglicht uns die Orientierung im Raum. Unsere armen Neger sind in der Metro einfach verloren gegangen. Sie haben sich verlaufen, weil sie den einfachsten Weg nicht finden konnten. Und so haben sie eben mit der Zeit alle den Löffel abgegeben. Klarer Fall vonSussanin-Syndrom.«
    Kusnezow hatte also doch recht, dachte Iwan. Trotzdem brauche ich unbedingt Verbündete. Der Zweck heiligt die Mittel. Am besten, ich rede einfach Klartext mit denen.
    »Ich kann Faschisten nicht leiden«, sagte Iwan kühl. »Beschränkte Dumpfbacken – meine Meinung.«
    Der Gesichtsausdruck des Oberführers geriet aus den Fugen.
    Jetzt gibt’s was auf die Mütze, dachte Iwan und machte sich abwehrbereit. Stattdessen begann der Oberführer zu lachen. Das war – vorsichtig ausgedrückt – überraschend. Besonders, als auch die übrigen Skins in Gelächter ausbrachen. Wie eine Herde monströser Meerschweinchen. Fehlte nur noch, dass sie zu fiepen anfingen.
    »Hast du dich erschreckt?«, fragte der Oberführer. »Keine Angst.«
    Iwan zog die Augenbrauen hoch. »Habe ich irgendwas Witziges gesagt?«
    »Der Witz ist der, dass wir Faschisten auch nicht leiden können.«
    Juden, die Juden hassen?, dachte Iwan. Sachen gibt’s.
    »Wir sind anders«, sagte der Oberführer.
    »Anders?« Iwan ließ den Blick über die Skinheads schweifen. Acht Mann. Alle glatzköpfig und mit aggressiven Visagen. »Ihr seht aber gar nicht so anders aus.«
    Der Oberführer schmunzelte. »Wir sind dir richtigen Skinheads. Rote Skinheads. Schau mal …« Der Oberführer krempelte den Ärmel hoch, und auf seinem Oberarm kam eine Tätowierung zum Vorschein: Hammer und Sichel, von einem Lorbeerkranz umrahmt. »Siehst du? Wir sind nicht irgendwelche Nazischweine. Sagt dir der Name Che Guevara was? Hasta siempre, Comandante. Bis in alle Ewigkeit. Ja, das war ein Kämpfer! Skin – das ist die Haut. Und weißt du, welche Funktion unsere Haut erfüllt? Sie schützt unseren Körper vor allem möglichen Mikrobengesocks und warnt uns mit Schmerzen, wenn größeres Unheil naht. Zum Beispiel, wenn man sich die Flamme eines Feuerzeugs an den Arm hält. Klar?«
    Iwan nickte.
    »Wenn du Schmerz empfindest, heißt das, dass du noch lebendig bist, Mann«, setzte der Oberführer fort. »So sieht’s aus. Die Haut stirbt immer zuerst. Und wir sind nichts anderes als die Haut der Metro. Wenn es uns nicht gäbe, wärt ihr längst gefressen worden. Oder ihr würdet auf euren dicken Kapitalistenärschen hocken und darauf warten, dass ihr endlich aussterbt. Aber wir treten euch in den Arsch. Ob ihr wollt oder nicht. Sind wir schlechte Menschen? Bastarde? Beschränkte Dumpfbacken, wie du sagst? Mag sein. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen.«
    Iwan brauchte einige Sekunden, um den Wortschwall zu verdauen.
    »Und wie nennt sich eure … äh … Mission?«
    »Er ist gar nicht so dumm«, sagte der Oberführer zu dem grauhaarigen Skinhead und wandte sich dann wieder an Iwan: »Die Bürde des Weißen Mannes – das ist unsere Mission. Kipling, Mann. Jetzt weißt du, woran du mit uns bist.«
    Er steht an der Spitze eines gigantischen, halb zerstörten Gebäudes. Die Höhe ist schwindelerregend. Ringsum erstreckt sich tosende, unermessliche Leere. Böiger

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