Pittys Blues
McClure; und dass Pitty ihren Vater als kleines Kind dabei beobachtet hatte und deswegen zur Strafe so langsam war. Pitty selbst hat darüber kein Wort verloren, niemals. Sie hat es weder bejaht noch abgestritten. Aber so war sie nun mal.
Und wenn man sich anschaute, wie viel Arbeit das Stückchen Land machte und wie wenig unterm Strich für die Pruitts zum Leben blieb, dann war man sich nicht mehr so sicher, wer wen bei dem besagten Pokerspiel über den Tisch gezogen hatte. Der Teufel hatte sich nach dem gutmütigsten Menschen auf Gottes Erden umgesehen, und Claude Pruitt war die erste Wahl. Vielleicht hatte der Teufel ja auch mit dem Allmächtigen gewettet, wer weiß. Man macht vieles aus Langeweile und um sich die Zeit zu vertreiben.
Die Geschichte klang weniger unglaubwürdig, wenn man sich das Land anschaute, auf dem die Farm stand. Ringsumher war alles gesund gewachsen: anständiger Boden, gutes Grün, einwandfreie Bäume. Einwandfreie Natur. Sobald man aber die Grenze zu Pruitts Besitz überschritt, musste man von dem aufgewirbelten Staub niesen. Die Erde war trocken wie ein Furz, selbst wenn
es gerade geregnet hatte. Kein Tropfen schien den Boden jemals zu erreichen. Alles war verdorrt. Kein Grün, alles gelb. So etwas gab zu denken, nicht zuletzt Pittys Dad.
Claude war ein anständiger Mann, der seine Familie liebte und nur das Beste für sie wollte. Das Stück Land, das er und seine vier Söhne bewirtschafteten, war groß genug und hätte sie alle reich und fett werden lassen können, aber so war es nicht. Sie hatten kaum genug zum Leben, und Jenna-Mae musste regelmäßig in der Stadt anschreiben lassen. Sie schämte sich dafür und redete kaum mit den Leuten aus Rickville. Sie zog sich zurück und schickte, wenn etwas zu besorgen war, Claude nach Jampaign. Dazu kam noch, dass ihre Jüngste, Pitty, zu nichts nütze war, jedenfalls in den Augen der Mutter. Für jede Art von Hausarbeit zur Gänze ungeeignet war die Kleine. Nach der schwierigen Geburt von Davis und Clive, den Zwillingen, hatte der Arzt ihr gesagt, sie würde nie wieder Kinder bekommen können, und sie war glücklich darüber gewesen. Jenna-Mae war selten glücklich, aber so ist das immer mit ihr gewesen. Sie wollte stets mehr, als sie hatte, und ich glaube, selbst wenn sie alles bekommen hätte, wäre es ihr nicht genug gewesen. Sie hatte Claude aus Liebe geheiratet, damals. Aber von der Liebe war nicht viel übrig geblieben, auf Jenna-Maes Seite. Claude war weich, er war ihrer Meinung nach zu nett, er war zu großzügig. Er gab zum Beispiel diesem Penner Lawrence immer von den Essensresten, dabei hatten sie selbst nicht genug zu beißen und um ihre Tiere zu füttern.
Claude sagte ihr dann, dass die paar Krummen keinen Unterschied machten, aber Jenna-Mae war da anderer Ansicht. Und abends, wenn sie im Bett lagen, seufzte er und drückte sich an sie und wollte mit ihr die Matratze zum Quietschen bringen.
Sie hatte seinen Geruch mal gemocht, früher.
Und dann kam Pitty. Pitty, dieses kleine Bündel, das erst fünfzehn Minuten nach der Geburt den ersten Krächzer aus seinem Hals würgte. Wie gesagt, Pitty war etwas langsamer, immer schon. Pitty war mickrig, das Kind, das eigentlich gar nicht mehr hätte kommen dürfen. Jenna-Maes Regel war ausgeblieben, und sie hatte gedacht, dass jetzt die Zeit gekommen sei, in der sie von einer Frau zu einer Alten wurde. Aber als dann ihr Bauch angeschwollen war, hatte sie aus Ärger Doctor Forks das Haus verboten. Selbst die schmerzenden Zähne ihrer Söhne ließ sie danach einfach von Claude ziehen. Ihr war es gleich. Wenn es nach ihr gegangen wäre, aber das ging es ja nie, davon war sie überzeugt, aber wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie alle vom Blitz erschlagen werden können.
Ein Mädchen also. Claude war vom ersten Augenblick an vernarrt gewesen in das Knäuel Mensch, die Jungs auch. Pitty war ihr Engel, ihre Prinzessin, ihr Sonnenschein und was für lächerliche Namen sie der Kleinen sonst noch gaben. Es störte keines der männlichen Familienmitglieder, dass das Mädchen in allem langsamer war als alle anderen weit und breit.
Je älter Pitty wurde, desto weniger glich sie ihrer Mutter. Sie machte sich nichts daraus, dass Jenna-Mae
sie offensichtlich nicht mochte, im Gegenteil. Im Umgang mit ihrer Mutter hatte es sich für Pitty bewährt, auf rein gar nichts zu reagieren. Und genau das machte ihre Mutter rasend. Obwohl Pitty das mit Sicherheit nicht aus Berechnung tat.
Menschen sind
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