Pizza House Crash
großzügiger zu betrachten - versuchte er es jetzt nur auf einem anderen Weg. Aber wie dem auch sein mochte, ich fand es eher anstößig als schmeichelhaft.
»Du willst doch jetzt sicher nicht noch die Hand ausstrecken und mir das Köpfchen tätscheln, oder? Du redest mit mir wie mit einer Schwachsinnigen. Ich suche mir aus, wie ich sein möchte; die Art, wie ich bin, ist die einzige Art, auf die ich zurechtkomme. Ich will nicht sein, wie jemand anders mich gern hätte, vor allem nicht du. Und ich will kein Leben im Sicherheitsgurt in Casa-Pupo-Land. Warren, wenn du was anderes im Sinn hast, dann mach’s Maul auf und sag es. Wenn du wegziehen willst, zieh weg. Ich werde dich ungern Weggehen sehen, und du wirst mir fehlen. Wenn du mein Kindermädchen spielen willst, dann bist du in deiner Wohnung in Bow so nah, wie du je an mich herankommen wirst. Du willst mich übernehmen, kontrollieren, was ich esse, was ich trinke, wann ich komme, wann ich gehe. Ist mir recht- bis zu einem bestimmten Punkt. Aber vergiß niemals, daß ich verdammt noch mal gut selbst auf mich aufpassen kann und werde. Wir sind jetzt Freunde. Laß uns sehen, daß das so bleibt, ja? Was gibt’s noch mehr? Gibt’s noch mehr?«
Es gab noch eine Menge mehr, und ich ahnte nicht einmal die Hälfte davon, aber es sah nicht so aus, als ob Warren es mir an diesem Abend erklären würde. Er sagte lediglich: »’ne tolle Rede«, und dann zog er einen Schmollmund und bezahlte die Rechnung in bar, mürrisch und schnell. Er bezahlte immer; das war eine seiner Regeln. Wir standen schweigend auf, und er legte mir die Hand ins Kreuz und bugsierte mich zur Tür hinaus. Einen Augenblick lang - für diejenigen, die Lust hatten, uns zu beobachten - war ich sein Mädchen.
Obwohl er selbst ein paar Glas getrunken hatte, fuhr er uns ohne Zwischenfall und wortlos nach Hause, vorbei an den wenigen übriggebliebenen, niedrigen Reihenhäusern zu unserem anspruchslosen Wohnblock. Keine Viertelstunde später standen wir Seite an Seite schweigend in dem von Hip-Hop-Graffiti und schmutzigen kleinen Zeichnungen erfüllten, schmucklosen Aufzug und ließen uns in den vierten Stock hinaufkurbeln. Warren stieg immer mit aus und brachte mich an die Wohnungstür. An diesem Abend war ich froh, daß er es tat, denn meine Tür stand einen Spaltbreit offen, und drinnen war es bedrohlich dunkel. Wir schauten uns fragend an, und Warren schlich langsam vor mir her auf die Tür zu. Ich bekam Gänsehaut vor Angst. Behutsam drückte Warren mit dem Fuß gegen die Tür und schob sie sanft weiter auf, und dann tastete er innen an der Wand nach dem Lichtschalter. Er knipste das Licht an und wir machten beide einen Satz rückwärts. Nichts und niemand flog zu uns heraus, aber der Anblick der Verwüstung, der sich im hellen Licht bot, ließ uns beide nach der Hand des anderen greifen.
Das Zimmer war systematisch auseinandergefetzt worden. Kein einziger Schrank, der nicht aufgerissen, ausgekippt, zerschlagen und zerschmettert worden war. Die Möbel waren umgestürzt, verstümmelt und beiseitegeschleudert, die Vorhänge hingen in Fetzen. Mein Schreibtisch war zerhackt, und unter den abgebrochenen Beinen lag der zerbeulte Computer und fraß die Scherben des Monitors. Die furchtbare Zerstörung wirkte noch unendlich viel schlimmer durch die obszönen, gewalttätigen Ausdrücke, die in Rot und Schwarz an die Wände gesprüht worden waren. Kein Zweifel, die Täter hatten gewußt, daß hier eine Frau wohnte.
»Herr im Himmel«, hauchte Warren in ungläubiger Fassungslosigkeit, und ich ließ niedergeschlagen die Schultern hängen. Lange starrten wir so ins Zimmer, bevor ich resigniert Warrens Arm beiseiteschob und mich bückte, um eine Platte aufzuheben, die in den schmutzigen Trümmern zu unseren Füßen lag.
»Hat sich kaum gelohnt, das Aufräumen vorhin, was?« bemerkte ich wehmütig, und ich zählte die Zigarettenbrandflecken auf der Platte und drehte sie auf der Fingerspitze, während ich über Glasscherben hinweg zum Schlafzimmer ging. Auch hier war alles zertrümmert, Kleider waren zerfetzt, und ekelerregender Uringestank stieg von meinem feuchten, zerrissenen Bettzeug auf. Mein Blick fiel auf eine Schublade voll besudelter Unterwäsche, und ich sah Julians rot-silbernes Taschenmesser, das in einem zerrissenen Bild meiner Cousins Julian und Richard mit Cousine Anne, dem Hund und mir steckte - einem Photo, das an einem heißen Ferientag im Sommer aufgenommen worden war, vor langer, langer Zeit.
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