Pizza House Crash
ausgewählten Sektoren. Diese hochbezahlten Finanzorakel standen erhöht über dem Gedränge von Köpfen und Monitoren und ratterten ihre Ratschläge in Mikrofone, wenn die Zeiten wirklich hektisch wurden. Des hatte auch nichts davon gesagt, daß sein System die eingehenden Informationen analysieren und dann automatisch seine Schlußfolgerungen auf den Bildschirmen ausgeben könne.
Es war suspekt, und unwillkürlich sah ich einen Zusammenhang mit dem, was ich auf Julians PC gesehen hatte.
Nick betrachtete das Foto, während ich die anderen durchsah. Sie offenbarten mir nichts.
»Könnte sein«, sagte er und bestellte noch Kaffee und für mich unaufgefordert Sahnekuchen. »Irgendwas ist da auf jeden Fall. Könnte ein Wort sein. Könnte auch ein trompe l’oeil sein.«
»Gütiger Herrgott! Na, da soll mich doch... eins von den Dingern? Es könnte sich nicht etwa um einen Entwicklungsfehler handeln, rein zufällig?« schlug ich sarkastisch vor, schlug mir den Gedanken an Kalorien aus dem Kopf und fragte mich, weshalb ich mich so heftig nach einer Zigarette sehnte.
»Nein, kein Entwicklungsfehler. Sei nett, Georgina.«
Wir saßen schweigend da. Nick wartete geduldig auf eine Erklärung und rauchte seine starke Zigarette, während ich einzuschätzen versuchte, ob ich ihm trauen konnte. Ich war nicht sicher. Ich hatte geglaubt, ihn zu mögen, aber jetzt wollte ich grausam zu ihm sein, ihm Nadeln unter die warme, behaarte Haut stoßen. Ich hatte mich so wohlgefühlt mit ihm, aber wo war der Sinn dabei? Es war kein Sinn dabei. Es war vorübergehend. Angespannt? Nervös? Kopfschmerzen? Nehmen Sie einen muskulösen Edelfotografen alle drei bis vier Stunden. Funktioniert traumhaft. Es war ein Traum. Ich hätte das Ganze wirklich etwas objektiver und lässiger sehen - es ihm auch leichter machen sollen. Der arme Mann, was wußte er denn? Es war so schwer, etwas zu wissen. Woher weiß man, ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist, wovon man sich gut oder schlecht fühlt? Erfahrung - man braucht Erfahrung aus erster Hand. Second-Hand-Erfahrungen sind nicht so riskant, man bekommt den Schmerz nicht zu spüren. Man hat aber eigentlich auch keinen echten Spaß. Tapfere Reden. Da saß ich nun, machte die Erfahrung, aus Erfahrung zu lernen, und litt Höllenqualen.
Ohne Zweifel gab es auch Grund zum Zweifeln. Mir fiel auf, daß Nick sich in günstiger Nähe befunden hatte, als ich beinahe entführt worden wäre. Dann hatte er mich nackt fotografieren wollen. Ein Fotograf seines Kalibers mußte wohlgestaltete Damen zuhauf sein eigen nennen, die gleich unten an seiner Wendeltreppe Schlange standen. Weshalb also wollte er einen verschrammten Knochensack wie mich? Konnte es sein, daß er von einem praktischeren Grund als der Kunst oder von mir aus sogar der Lust bewogen war? Es führten immer mehrere Wege nach Rom. Es gab mehr als eine Möglichkeit, jemanden zu bedrohen, jemanden zu stoppen. Eddie würde auf einen so hinterhältigen Einfall kommen. Ob Nick Eddie kannte? Ich mußte besser aufpassen, dachte ich. Er starrte mich an, und ich starrte zurück und versuchte einen Entschluß zu fassen.
Aber wie ich es auch drehte und wendete, es kam immer das gleiche dabei heraus. Nick paßte einfach nicht in die Rolle des Schurken. Sein Blick war zu fest und zu klar. Seine Augenbrauen waren ständig in Bewegung. Sogar seine Ohren hatten etwas Frisches, Ehrliches an sich. Er war vielleicht ein bißchen enttäuschend, wenn es drauf ankam, aber er war geradlinig. Ich konnte ihm durchaus vergeben, daß er so attraktiv war - wie ein Kellner in einer Ferienromanze vielleicht: eine entzückende Ablenkung, aber nicht gefährlich. Celia würde er gefallen; ein Zuckerfratz sei er, würde sie sagen, ein ganz niedlicher. Zuviel Aftershave benutzte er auch nicht. Im Gegensatz zu Eddie.
Nein, Nick sagte, was er dachte, sogar über sich selbst. Seine Fotos waren gut, und er sagte es. Er sagte auch, er sei genau wie alle anderen. Und er wollte nicht weitermachen. Keine Lügen - noch nicht. Mit der Fingerspitze fuhr ich um den Rand des Kuchentellers herum.
»Wie hast du diesen Schnappschuß geknipst?« fragte ich und nahm ihm das Foto wieder ab, um es noch einmal zu betrachten.
»Willst du absichtlich beleidigend sein?« fragte er und biß auf das Ende eines abgebrannten Streichholzes. Ich schaute auf und lächelte liebreizend. Rauch wehte vom Aschenbecher und seinem Zigarettenstummel über den feuchten Holztisch zu mir herüber. Ich wich ihm nicht
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