Pizza House Crash
hat einen Wert an sich, der gehandelt werden kann, und dieser Wert ist eine Funktion mehrerer Faktoren: Da ist die Zeit, die noch bleibt bis zum Zeitpunkt des Erlöschens oder Ausübens; da ist die Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem derzeitigen Kurs des zugrundeliegenden Index; da sind die Händlerspesen und die Unberechenbarkeit der Börse.«
Er fing an, sich warmzureden, und erzählte mir mit einem bitteren Halblächeln, er habe von Put-Optionen - also Spekulationen auf das Absinken des Index - gehört, die in der Woche des Crashs ihren Wert auf das Tausendfache gesteigert hätten. Das merkte ich mir, während Charlie in tiefe, wortlose Niedergeschlagenheitversank. Ich stieß ihn in die Rippen, und er fing wieder an.
»Natürlich muß es für jeden Käufer auch einen Verkäufer geben. Puts und Calls kaufen, das ist nur die halbe Story, das ist das Spiel für unsereinen. Die andere Hälfte ist die professionelle Hälfte - was die Händler tun, nämlich das Verkaufen oder Ausschreiben der Optionen. Wer eine handelbare Option ausschreibt, kriegt die Optionsprämie - und trägt das Risiko. Ein Händler, der Call-Optionen ausstellt, erwartet, daß die Börse sich festigt oder verfällt, denn er muß dem Inhaber einer Call-Option Bargeld zahlen oder Aktien verkaufen, sollte der sich entschließen, die Option auszuüben und zu kaufen. Ein Händler, der Puts verkauft, erwartet, daß die Kurse steigen. Wohlgemerkt, es geht ja immer darum, zu kaufen, wenn die Kurse niedrig, und zu verkaufen, wenn sie hoch sind. Man darf sich nicht dabei erwischen lassen, daß man versprochen hat, zu einem höheren Kurs zu liefern, wenn die Kurse anfangen zu sinken.«
Mein Blick wurde glasig, und meine geistigen Fähigkeiten begannen zu versanden, aber Charlie watete immer noch weiter hinaus.
»Manche Händler verkaufen >nackt<: Man verkauft Aktien, die man nicht hat - ein Leerverkauf - und hofft, sie später billiger zu kriegen, wenn man sie liefern muß. Solche Händler machen dicke Gewinne bei kleinen Kursbewegungen - wenn sie richtig liegen. Das Risiko ist natürlich auch unbegrenzt.«
»Guck mal, Mammi, ohne Hände«, bemerkte ich.
»Genau.«
»Aber jetzt mal heraus mit der Wahrheit: Hast du >nackt< verkauft?« wollte ich wissen.
»Darauf kannst du Gift nehmen. Aber ich hatte noch relativ großes Glück, indem ich nur fünfzigtausend Pfund verloren habe. Ein Kumpel von mir ist ein Million quitt.«
»Eine Million! Was? Scheiße! War das ein Händler?«
»Nein. Er ist immer noch Maurer.«
»Und was macht er da oben in dieser dünnen Luft? Und mehr noch - was machst du eigentlich da?«
»Ich bin in meine Bankfiliale spaziert, die haben mich in ihre Wertpapierabteilung geführt, und wir waren im Geschäft. Es war ein rasender Bullenmarkt; kein Mensch hat gedacht, daß man verlieren würde. Aber da haben wir uns alle geirrt, nicht wahr?« Er seufzte unglücklich.
»Mein Gott! Was ich für Probleme hatte, als ich einen Dispokredit haben wollte...« murmelte ich.
Charlie lächelte wehmütig und schaute düster auf seine Uhr. »Hör mal, es tut mir leid, aber ich will jetzt hier raus... du verstehst.« Er zog die Brauen hoch und warf einen Blick zu Max hinüber.
Bei diesem Spiel konnte man sich offenbar ebenso viele Magengeschwüre wie Gewinne einhandeln. Mit einem kleinen Taschenrechner auf der Innenbahn, und man kassierte dermaßen leichtverdientes Geld - und zwar Unmengen von leichtverdientem Geld. Es wäre leichtverdientes Geld für Charlie gewesen, wenn der Bullenmarkt weitergelaufen wäre. Aber das war er nicht; jemand hatte dafür gesorgt.
Optionen waren nicht die einzige Möglichkeit. Es gab auch andere Systeme, mit denen sich gewinnbringend spielen ließe. Eddie und Fisher hätten auch Devisentermingeschäfte machen können, wenn sie im voraus gewußt hätten, daß der Dollar fallen würde.
Wenn die Aktienkurse steigen, steigt auch der Wert eines Terminkontrakts; wenn sie sinken, muß der Inhaber die Verluste ausgleichen. Händler, die glauben, daß die Kurse steigen werden, kaufen Index-Futures in der Hoffnung, sie mit Gewinn verkaufen zu können. Wenn sie glauben, die Kurse werden sinken, verkaufen sie Index-Futures in der Hoffnung, sie später zu einem günstigeren Kurs wieder einkaufen zu können. Eddie und Fisher mußten ihre Kontrakte schon vor Monaten verkauft haben.
Vor dem Crash war der Handel mit Futures und Optionen so intensiv, daß Terminkontrakte im Wert von vielen Milliarden Dollar an der
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