Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
beruflich so stark engagierte, immerhin war sie Direktorin einer Schule und dazu noch Bezirksrätin der Grünen, hatte die Mutter seiner Kinder nicht nur viel weniger Zeit für ihn, sondern war auch immer schwerer telefonisch zu erreichen. Als Frau Palinski würde sich das ändern müssen, zumindest was das Telefonieren betraf. Er war ja ohnehin ein äußerst nachsichtiger Partner, vielleicht sogar ein zu nachsichtiger. Aber was zu viel war, war nun einmal zu viel.
Manchmal fragte er sich, wie seine Liebste auf ihre Kollegen in der Schule, vor allem aber in ihrer politischen Tätigkeit wirkte. Gut, bei den Grünen gab es Gott sei Dank ohnehin mehr Frauen. Zwar jüngere, aber dennoch.
Wilma hatte immer gut ausgesehen, aber in letzter Zeit schien sie besonderen Wert auf trendige Kleidung und den ganzen Anti-Aging-Scheiß zu legen. Nein, eifersüchtig war er nicht. Wirklich nicht. Er machte sich eben manchmal so seine Gedanken. Man konnte den Anfängen gar nicht früh genug wehren.
Nach dem sechsten erfolglosen Versuch gab Palinski auf und wandte sich anderen Problemen zu.
Was war das bloß gewesen, weswegen er heute unbedingt Helmut Wallner hatte anrufen wollen?
*
Der Innenminister nahm seit gestern an einer Konferenz in Brüssel teil und wurde erst heute Abend wieder zurückerwartet. Seinen früheren Chef hatte Ministerialrat Dr. Michael Schneckenburger einige Male zu diesen Treffen begleiten müssen oder dürfen. Je nachdem, wie man das sehen wollte.
Der neue Mann dagegen nahm seinen Vertreter im Bundeskriminalamt, und das war Schneckenburger erstaunlicherweise nach wie vor, meist nicht einmal zu einschlägigen Meetings innerhalb des Hauses mit. Er war schon ein eigenartiger Mensch, dieser Dr. Manfred Eislinger. Menschlich nicht gerade sehr einnehmend, und das war sehr vornehm formuliert, war er fachlich, na ja, das fiel wohl besser unter Amtsgeheimnis, und politisch eher ein Leichtgewicht, wenn man den alten Hasen Glauben schenken durfte. Was den Kanzler bewogen hatte, diesen Mann auf den charismatischen Dr. Fuscheé folgen zu lassen, war und blieb dem Ministerialrat ein Rätsel.
Miki, zwar kein Parteigänger, aber durchaus auch kein Gegner der vom Kanzler vertretenen politischen Richtung, war ohnehin so weit, der Regierungspartei bei den bevorstehenden Wahlen eine saftige Abfuhr zu wünschen. In der Hoffnung, dass der Spuk mit seinem derzeitigen Chef, diesem unmöglichen Staatsdiener, bald ein Ende nahm.
Die Abwesenheit des Ministers ermöglichte es ihm immerhin, heute wieder vollständig in die pulsierende Scheinwelt der Internetforen und Weblogs einzutauchen und sich an den faszinierenden Postings, Chats und Blogs zu delektieren. Schneckenburger war nicht der Typ des aktiven Teilnehmers, der selbst Meinungen, und seien sie noch so fundiert, abgab. Er war eher passiv, beobachtete, sein Verhalten entsprach stark dem eines klassischen Voyeurs.
Gleichzeitig hatte er sich eine recht überzeugende Argumentation zurechtgelegt, um seine Blicke durch das Astloch Internet auch professionell, ja sogar in einem der Sicherheit der Bevölkerung dienenden Sinne zu begründen. Obwohl das, zugegebenermaßen, bedenklich hochtrabend klang.
Seit er gestern Palinski auf einige Postings aufmerksam gemacht hatte, die, mit Fantasie, Sachverstand und ein wenig Insiderwissen zwischen den Zeilen gelesen, möglicherweise Hinweise auf Verbrechen, im Speziellen auf die Ermordung Nora Bender-Nicerecs enthielten, wartete er gespannt auf die Reaktion des für diese Angelegenheiten ungemein sensiblen Freundes. Aber der Mistkerl rührte sich nicht. Inzwischen musste er sich doch schon durch die lächerlichen 22 Seiten Kommentare, satirische Anmerkungen und allgemeine Blödheiten durchgearbeitet haben.
In einigen Postings gab es Bezüge auf wieder andere, die der Ministerialrat trotz intensivster Suche bisher nicht hatte finden können. Möglicherweise hatten diese Diskussionsbeiträge weitaus deutlichere Hinweise auf strafrechtlich relevante Umstände beinhaltet und waren deswegen von der jeweils dafür verantwortlichen Redaktion gelöscht worden. Man sollte direkt einmal anfragen, ob die Beiträge noch irgendwo verfügbar und für die Polizei einsehbar waren.
Je länger Schneckenburger darüber nachdachte, desto sinnvoller erschien es ihm auch für die Praxis, sich mit dieser Kommunikation im anonymisierten, nein, besser im pseudonymisierten Raum zu befassen. Immerhin stand diese Möglichkeit jedem offen und lud zu mehr
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