Plaetzchen unter dem Mistelzweig
Milly und schaute zu Boden. Bea fiel ihr beklommenes, gedankenverlorenes Verhalten auf.
»Milly«, wandte sich Bea an sie, dieses Mal viel sanfter als zuvor. »Gibt es etwas, worüber du mit mir reden möchtest ?«
Milly starrte in die hintere Ecke des Saals, wo einige jüngere Leute zusammenstanden und sich unterhielten.
»Das wollte ich nicht«, flüsterte sie.
»Was wolltest du nicht ?«, fragte Bea besorgt.
»Alles kaputtmachen«, erwiderte Milly und sah Bea endlich in die Augen. »So war das nicht geplant.«
Bea holte tief Luft und zwang sich, ihr einen Vertrauensbonus zu gewähren.
»Es kam mir nur so unfair vor, Granny«, erklärte Milly und verstummte dann. Bea nickte ihr aufmunternd zu, um sie zum Weitererzählen zu bewegen.
»Mum hat sich so viel Mühe gegeben – ich habe noch nie erlebt, dass sie irgendetwas so sehr gewollt hat. Sie war deswegen so aufgeregt ! Aber offenbar wäre nur wieder Katie die Gewinnerin geworden – sie ist immer die Beste. Sie macht das aber auch beruflich, sie sollte gar nicht an diesem Wettbewerb teilnehmen dürfen.«
Milly wurde lauter und ließ ihrer Frustration freien Lauf. »Als wir Mums Beitrag auf den Tisch gesetzt haben, und sonst niemand mehr in der Halle war, habe ich gesehen, dass jemand dort Salz stehengelassen hatte. Das habe ich dann auf Kates Julscheit gestreut, damit der nicht mehr ganz so gut schmeckt.«
Bea hielt laut hörbar den Atem an. »Milly !«, rief sie geschockt. »Das ist schrecklich ! Was hat dich bloß auf die Idee gebracht, deine Mutter würde wollen, dass du …«
»Ja, ich weiß«, unterbrach Milly sie. »Das war dumm von mir. Ich dachte, dass die Juroren vielleicht nichts merken würden, dass ihnen Katies Julscheit einfach nur schlechter schmeckt als Mums Lebkuchenhaus. Damit Mum gewinnt, ohne, dass irgendwer bemerkt, was passiert ist.«
Bea schüttelte den Kopf. »Also ehrlich ! Gerade du müsstest es doch besser wissen. Die arme Katie hat wahrscheinlich auch viel Mühe und Arbeit gehabt mit ihrem Kuchen.«
»Aber sie hat doch schon einmal gewonnen !«, protestierte Milly. »Mum hätte nicht einmal eine Chance gehabt. Ich habe zufällig mitbekommen, was Mum dir gestern Nacht am Telefon gesagt hat, als sie dachte, ich läge im Bett. Sie hat gesagt, dass sie gewinnen will und dass sie nie irgendetwas erreicht hat, weil sie mich so jung bekommen hat.« In Millys Augen blitzten Tränen auf.
Ungeachtet dessen, was Milly angestellt hatte, hatte Bea unwillkürlich Mitleid mit ihrer Enkelin. Sie musste an das Telefonat mit Rachel denken und daran, wie hart diese eigentlich harmlosen Worte klingen mochten, wenn sie aus dem Kontext gerissen waren.
»Wir erzählen jetzt sofort deiner Mutter davon«, entschied Bea und entdeckte Rachel, die sich einen Weg durch die Menge bahnte. »Dann finden wir einen Weg, das wieder geradezubiegen. Aber zuerst eines noch.« Bea runzelte die Stirn und schaute Milly streng an. »Sei ehrlich: Du hast nur Katies Kuchen manipuliert ?« Milly nickte beschämt. »Aber hat Diana nicht eben gesagt, dass es zwei sabotierte Kuchen gab ? Was ist dann mit dem zweiten Kuchen passiert ?«
✴
»Könnte ich bitte kurz Ihre Aufmerksamkeit haben ?«, rief Diana. Neben ihr stand Pam, eine Freundin aus dem Frauenkomitee, die eingesprungen war, um bei der Bewertung der Wettbewerbsbeiträge zu helfen. »Was für ein Tag !«, stellte Diana ein wenig erschöpft fest. »Aber ich freue mich, verkünden zu dürfen, dass wir einen Gewinner haben. Mit einem wirklich äußerst feinen Wettbewerbsbeitrag«, lächelte sie. »Die Bäckerin hat die Prinzipien der Schlichtheit und Tradition aufgegriffen, die wir hier in Skipley so schätzen – und mir ist dabei völlig egal, was dieser arrogante Fatzke Joe Carmichael über unser Dorf zu sagen hat. Meiner Meinung nach gibt es keinen schöneren Ort zum Leben.«
Das Publikum klatschte herzlich, und Dianas Wangen glühten wieder vor Stolz.
»Den Typ sind wir Gott sei Dank los !«, rief jemand.
»Skipley forever !«, rief jemand anderes, gefolgt von Gelächter.
»Leider musste Katie Jones‘ wunderbarer Julscheit vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Die Person, die in den Vorfall verwickelt ist, hat sich gemeldet, sich entschuldigt und Katie und mir die Gründe dargelegt. Ich bin zuversichtlich, dass so etwas nicht noch einmal passiert.«
Ein paar Leute im Gemeindesaal murmelten missbilligend, doch die meisten schienen die Entscheidung der Juroren zu akzeptieren. Nur Rachel zuckte bei
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