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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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ein regelrechtes Beben ausarten würde, wenn sie nicht aufpasste. Sie sah Bill an. »Sie wurde in einem Waisenhaus aufgezogen, nicht wahr?«
    Bill zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon.«
    »Sie denken?«
    Er biss sich auf die Unterlippe. Im Flüsterton, vermutlich, weil er fürchtete, seine Frau könnte ihn hören, erwiderte er: »Ja, tut mir leid. Sie war ein Waisenkind. Mehr weiß ich nicht. Jedes Mal, wenn ich mich danach erkundige, wechselte sie das Thema oder sagt, dass sie nicht darüber reden will. Es war ein katholisches Waisenhaus, da bin ich ziemlich sicher. Geleitet von einigen Nonnen. Schwester Angelique war eine davon. Der Name ist mir im Gedächtnis geblieben, weil er anders war. Außerdem hat sie die Frau hin und wieder in unbedachten Augenblicken flüchtig erwähnt.«
    Er faltete die Hände auseinander und fuhr sich mit dem Rücken der einen unmittelbar unter dem rechten Auge übers Gesicht, dann wiederholte er den Vorgang beim linken. Anschließend schniefte er.
    »Bei solchen Gelegenheiten habe ich immer versucht, die Tür ein wenig zu öffnen, nachzubohren. Aber sie hat sie jedes Mal sofort zugeworfen.«
    Gem schlang beide Arme um Joyces Beine – wie ein Kind bei seiner Mutter, wenn es sich fürchtet. Joyce legte ihr wieder die Hand auf den Kopf. Vorläufig war alles, was sie dem Mädchen bieten konnte, ihre Nähe.
    Gem ergriff das Wort. »Was, wenn wir ... Ich meine, ich habe nachgedacht. Was, wenn ...« Seufzend schmiegte sie den Kopf wieder an Joyce, ehe sie hervorsprudelte: »Was, wenn wir in der Hölle sind?« Sie zog die Arme enger zusammen.
    In jenem Moment wünschte sich Joyce nichts sehnlicher, als die Beine zu befreien, sich auf dem Stuhl einzurollen, die Augen zu schließen und abzuwarten, bis alles verschwände. Wenn stimmte, was das Mädchen sagte, dann verdiente sie ... – Hör auf damit! Du hast nichts Falsches getan!
    Bill setzte dazu an, etwas zu sagen, dann schloss er die Lippen wieder, sah sich im Zimmer um und richtete den Blick schließlich auf den Flur. »Nein, das stimmt nicht.«
    Gem richtete sich auf und ließ mit verkniffener Miene einen Arm um Joyce geschlungen. »Nein? Können Sie das hier anders erklären? Wir werden gezwungen, schlimme Dinge erneut zu durchleben, müssen mit ansehen, wie Dämonen unsere Familien heimsuchen und uns angreifen. Und überall ist diese Stimme, diese dumme Psychostimme! Das ist kein Engel!«
    Bill nickte. Dieses Argument ließ sich nicht widerlegen. Letztlich meinte er: »Eine Schwachstelle hat deine Theorie, Gem.« Er legte die Hände flach auf die Brust. »Ich kann mich nicht daran erinnern, gestorben zu sein.«
    Gems wachsende Energie verhinderte, dass sie es lange in einer Haltung aushielt. Sie rappelte sich auf alle viere, als wolle sie losspringen, dann kniete sie sich mit aufrechtem Rücken hin. »Ich auch nicht«, gab sie zurück, »aber was ist mit dieser Atombombentheorie, über die wir geredet haben? Wenn jemand so ein Ding auf Ledgewood oder Worcester abgeworfen hat, hätten wir keine Zeit gehabt, etwas zu bemerken. Ich jedenfalls war mit Sicherheit noch nicht für den Himmel bereit. Nicht mal mit dem Alten Testament war ich durch. Also direkt ab in die Hölle.« Sie sah Joyce an. »Aber Sie sind Geistliche, Joyce. Hat das nichts bedeutet? Wie kommt es, dass Sie hier sind und nicht oben bei den Engeln? Zumindest Sie müssten das doch verdienen.«
    Eine schmeichelhafte, wenngleich nicht einwandfreie Logik. Joyce klammerte sich daran fest, um sich aus der Verzweiflung zu ziehen, die Gems Worte in ihr gepflanzt hatten.
    »Nein«, sagte sie. »Damit kann ich mich nicht abfinden.«
    Bill lehnte sich vor und stellte die Füße auf den Boden. »Also bleibt man, wo immer man gestorben ist? In diesem Fall in einer imaginären Version unseres Hauses? Klingt für meine Ohren ein wenig nach New Age.«
    Joyce stellte fest, dass sie außerstande war, dem Unterhaltungsfaden zu folgen. Stattdessen dachte sie an Ray. Er war zurück – vermutlich nicht wirklich, dennoch verkörperte er keine Erinnerungsschnipsel mehr, sondern spielte die Rolle ihres Gastgebers in diesem Albtraum. Und wieder zeichnete er sich als Peiniger aus. Sie hatte Jahre gebraucht, um sich endgültig damit abzufinden, dass er gegangen war, dass sie nie wieder nachts auf seiner Brust liegen oder mit ihm sprechen würde. Gem behauptete, ihn gesehen zu haben – hier . Aber er war nicht zurück. Das konnte nicht sein.
    »Joyce?« Bills Stimme erklang leise. Ihre Züge

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