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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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und sein Atem ging in abgehackten Stößen. Noch vor einem Augenblick war die Finsternis, die den Flur und die Küche erfüllt hatte, verschwunden gewesen. Nun war sie zurück, verschluckte die Küche, aber auch den Eingang zum Wohnzimmer und alles dahinter. Nur der Flur war noch übrig.
    Die Finsternis kroch voran, verschlang ein Foto seiner Eltern an der Wand. Der Flur rutschte geräuschlos unter die schwarze Woge. Die Finsternis kam unweigerlich auf ihn zu. Die einzige Fluchtmöglichkeit bot das Schlafzimmer. Bill rührte sich nicht von der Stelle.
    Als er am Bad und am Gästezimmer vorbeiging, fielen die Türen zu, und hundert Fäuste hämmerten dagegen, erschütterten die Angeln und lösten die Rahmen. Dennoch wollte Bill nicht ins Schlafzimmer gehen. Er schloss die Augen, holte tief Luft und spielte mit dem Gedanken, sich von der Finsternis oder den Ungeheuern darin verschlingen zu lassen. Bill war überzeugt davon, das wäre besser als das, was ihn im Schlafzimmer erwarten würde.
    Gott, hilf mir , betete er schließlich. Rette mich. Ich weiß nicht, was mir gezeigt werden wird, aber es wird schlimm sein, eine Lüge. Bitte ...
    Als er die Augen aufschlug, befand sich vor ihm nur die schwarze Wand. Sie drückte heftig gegen sein Gesicht und seine Brust. Bill wankte gegen den Türrahmen zurück. Er wirbelte herum und stürzte ins Schlafzimmer. Kaum landete er auf dem Boden, fiel die Tür zu.
    »Nein«, flüsterte er. Seine Stimme war zurückgekehrt, was er jedoch nicht bemerkte; die Erwartung, dass etwas Schreckliches vor ihm aufragen würde, verängstigte ihn zu sehr. Eine Weile starrte er auf den Teppich zwischen seinen Händen, ehe er langsam aufschaute.
    Der Raum erwies sich als leer. Zwischen ihm und dem Fenster auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich nur das Himmelbett und die Aussteuertruhe.
    Nein, das stimmte nicht. Eine der kleinen Schubladen aus Seyhas Kommode lag auf dem Boden vor ihm. Der Inhalt lag in willkürlichen Haufen ringsum verstreut. Unterwäsche, zusammengerollte Socken ... andere Dinge.
    Bill kroch vorwärts und kniete sich über die Schublade. »Bitte, hilf mir«, flüsterte er. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Es sah aus, als hätte jemand die Schublade zu heftig herausgezogen, alles in einer langen Linie über den Boden verteilt und anschließend die Schublade auf das Chaos fallen gelassen.
    Dies musste das Geräusch verursacht haben, das er im Wohnzimmer gehört hatte. Seyha hatte die Schubladen bereits überprüft. Oder doch nicht? Selbstverständlich hatte sie es getan, allerdings in der echten Welt. Dies war nur ein Traum.
    Es ist nicht real.
    Nicht real.
    Er drehte die Lade herum, hob einige Socken auf und warf sie zurück hinein. Umschläge mit alten Kreditkartenrechnungen. Alte Fotos von ihm, von ihnen beiden.
    Und noch etwas.
    »Gott«, flüsterte er. »Das ist nicht echt. Hol mich hier weg.«
    Der Gegenstand war rund und aus Kunststoff, eine Seite blau, die andere weiß. Auf der blauen Seite erblickte er einen weißen Aufkleber mit aufgedruckten Wörtern. Seine Sicht verschwamm.
    »Das ist nicht wahr ... es ist alles ein Traum, nicht real.«
    Er ergriff den Gegenstand mit den Fingern beider Hände. Er war nicht größer als seine Handfläche.
    Nichts von all dem ist real.
    Noch bevor er die Worte auf dem Verschreibungsaufkleber las, wusste Bill, worum es sich handelte. Er brachte kaum die Kraft für ein Flüstern auf, doch er musste etwas sagen, um die Dämonen rings um ihn auszutreiben, jene, die ihm diese Blasphemie ins Herz zu pressen versuchten.
    In seine Gedanken kehrte ein klares Bild zurück: All seine Kinder, die aus dem Van kletterten, ihre Großmutter umzingelten, das vormals stille Haus mit Chaos und Freude erfüllten, mit der Liebe von Bills und Seyhas Familie.
    Er schloss eine Hand um die Kunststoffverpackung und drückte. Ein Sprung bildete sich, der unter den Aufkleber verlief, auf dem der Name von Seyhas Frauenärztin prangte.
    »Lügen!«, brüllte Bill.
    Diesmal lachte kein Dämon. Abgesehen von seiner Stimme herrschte Stille.
    Bill drückte fester. Die Verpackung platzte auf, und einige der kleinen, weißen Antibabypillen schossen heraus, prallten von seinem Gesicht ab.
    Er schloss die Augen und schrie: »Das ist nicht wahr!« Seine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Plastikteile und seine Fingernägel bohrten sich ihm in die Hand, dennoch drückte er fester zu, musste den Schmerz spüren. Mit geschlossenen Augen weinte er – um sich

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