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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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vielleicht Wongrowitzer Steig und dann Güldenauer Weg. Oder schon eins dahinter. Auf jeden Fall irgendwie Richtung Wolfsgarten. Wegener versuchte, nicht schon wieder an Karolina zu denken, schon wieder in der Karolinamühle zu landen, sondern sich den Stadtplan vor Augen zu halten, die Abzweigungen zu zählen, Wongrowitzer Steig war von der Mahlsdorfer Straße die erste links, danach kam die Kleinschewskystraße, aber da war noch eine dazwischen, eine, die er sich nie merken konnte, plötzlich drehte sich alles, Reifen quietschten, Brendel segelte über die glatte Holzpritsche und grapschte mit beiden Händen nach dem Deckengestänge, dann sackte der ganze Transporter vorne links in ein baugrubengroßes Schlagloch ab, fuhr wie vor eine Mauer, brach durch die Mauer durch, hinten schien alles abzuheben, Brendel knallte mit dem Kopf gegen die Blechverkleidung, der Phenoplastaufbau knirschte und wackelte, der SPIEGEL segelte durch den Laderaum, ein Unfall, dachte Wegener, wenn diese falschen Chauffeure jetzt in einen Yukos-Tanker reinrauschen, dann verbrennst du in einem Plastekäfig, in einem abgeschlossenen, mobilen K5-Gefängnis auf dem Weg ins Nirgendwo, hinterlässt eine ungelöste Staatskrise, einen ungelösten Mord, eine ungelöste Ex-Freundin, eine betrogene Betrügerin und verreckst in deinem eigenen kleinen Krematorium, zusammen mit Richard dem Schwarzgelbgesichtigen, und vielleicht ist das ja der Sinn der Übung, die Fischfalle, vielleicht sind wir schon viel näher dran, als man sich das oben wünscht, Hoffmanns Bedeutung für Krenz, geklärt dank Blühdorn, wer kann wissen, was Marie Schütz aus der Zeit erzählen wird, in der ihr Vater noch die Strippen zog, laut Gruber soll er brisante Unterlagen besessen haben, wo sind diese Unterlagen jetzt, wenn man das alles in einen Topf wirft, nüchtern und ausgeschlafen, setzt sich unter Umständen schon was zusammen, vielleicht mehr, als den Herren Steinkühler & Co. recht sein kann, also ein Köder bitte, das Verhör im Geheimgefängnis, zwei K5-Stuntmänner fahren ihren Transporter kunstvoll vor eine hundertjährige Eiche und springen rechtzeitig ab, Ost- und Westermittler backen bei zweihundert Grad ordentlich durch, tragische Geschicht e …
    Der Fahrer gab Gas. Gerade Strecke, keine Schlaglöcher mehr.
    »Was machen diese Idioten?« Brendel hing die Frisur ins Gesicht.
    Wegener setzte sich auf. »Die fahren so, dass wir auf keinen Fall den Weg rekonstruieren können.«
    Brendel schnaufte.
    »Das hat durchaus sein Gutes.«
    »Nämlich?«
    »Spricht dafür, dass sie uns nachher wieder gehen lassen.«

23
    D er Blonde war in den zwei Stunden Fahrt größer geworden, breitschultriger, hatte seine Jeansjacke gegen einen dunklen Parka getauscht und eine schwarze Sturmhaube aufgesetzt, aus der andere Augen starrten, der Blonde war gar nicht mehr der Blonde, er war nie hier gewesen und würde nie hierher kommen, der weiß überhaupt nicht, wo wir sind, weil diese Hunde zwischendrin, an irgendeiner Ampel, blitzschnell die Fahrer wechseln, dachte Wegener und musste nach so viel rumpelnder Dunkelheit beide Hände schützend vors Gesicht halten: viel zu heller, wolkenloser Osthimmel, ringsum der stasifarbene Putz der Normannenstraße, aber nicht ganz so hohe Gebäude, dreigeschossig, ein menschenleerer Hof mit einer Lache welkem Gras in der Mitte. Hinter ihm sprang Brendel aus dem Barkas, seine Qualitätsledersohlen knallten auf den sauber gefegten Betonboden, das einzige Geräusch überhaupt, die Wände stießen den Knall sofort wieder ab, die wollten offenbar keinen Knall von Westsohlen schlucken. Nichts bewegte sich in den dunklen Fensterlöchern.
    Der Maskierte ging voraus, ein paar Schritte über den Hof in einen großen garagenartigen Raum ohne Tor, rechts an der Wand zwei Stufen, die zu einem breiten Gitter hinaufführten, dahinter eine Holztür mit Sichtschutz-Glasscheiben. Ein schwarzer Handschuhfinger drückte auf eine geräuschlose Klingel.
    Wegener und Brendel drehten sich um, der Barkas startete wie von selbst, brummte nach rechts weg. Die Fischbeschriftung war von der Seitenwand verschwunden.
    Stille, in die niemand etwas sagen wollte, packte die ganze Szene in Watte, polsterte den Moment, stopfte einem das Maul mit aufgequollener Leere, presste ihr unausgesprochenes Gebot in die Köpfe, dass auf diesem Gelände geschwiegen wurde, dass jede Silbe abgewogen werden musste, Sprache war immer schon eine Einladung zum Widerspruch gewesen, deshalb ließ man

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