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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Zahnpflegekaugummi.
    »Kayser hat dich auf den neuesten Stand gebracht?«, fragte Brendel.
    »Gestern von halb zwölf bis kurz vor vier.«
    Wegener merkte, dass der Barkas langsamer wurde. Jetzt bog er nach links ab. Anemonenstraße.
    »Von Hoffmanns Tochter kam eine Textnachricht«, sagte Wegener. »Sie will uns morgen Mittag in Boltenhagen sehen, 1 2 Uhr an der Seebrücke. Keine Technik, dafür ein Paar Handschellen.«
    »Handschellen?«
    »Handschellen.«
    »Willst du dich auf den Blödsinn einlassen?«
    »Klar, wann fragt ne Zwanzigjährige schon mal nach Handschellen. Gestern Abend hab ich noch mit Borgs gesprochen, in der Bar International. Da bekam die Bedienung erst ziemlich große Ohren, und als man sie ein bisschen anguckte, rannte sie auf und davon.«
    Der Wagen bog nach rechts ab. Salvador-Allende-Straße.
    Brendels dunkles Gesicht blieb ausdruckslos. »Staatssicherheit?«
    »Vermutlich.«
    »Bist du hinterher?«
    Wegener schüttelte den Kopf. »Hätte nur wochenlanges Gewurste gebracht, und am Ende war’s dann natürlich ein Observierungsfehler.«
    »Also hängen sie an dir dran.«
    »Du warst gestern bei Steinkühler. Hat er was gesagt?«
    »Da ging es nur um die nötigen Unterschriften für diesen Ausflug hier. Der weiße Phobos bei Hoffmanns Datsche?«
    »Sieht auch nach Stasi aus.«
    »Und mit Anhang nach Boltenhagen wollen wir nicht.«
    »Würde ich sagen. Sonst stören uns die Brüder noch bei unseren Handschellenspielen.«
    Vorne hörte man den Blonden lachen. Oder den Fahrer. Das Lachen ging in ein Husten über. Dann rummste es. Der Barkas hatte den Kampf mit den Schlaglöchern der Bellevuestraße aufgenommen. Das Lachen brach ab. Unter dem Wagen explodierte im Sekundentakt Steinschlag, die Bodenwanne ächzte wie ein Robotronroboter im Altenheim, alle Federn stöhnten in der Federnhölle, die Deckenfunzel zuckte. Brendels Gesicht flackerte im Funzelrhythmus, die harten Züge jetzt noch schärfer, Make-up aus Licht und Schatten, ein Schädel im Che-Guevara-Stil, der sich aus wenigen hellen Hautflecken zusammensetzte.
    »Und im Kanzleramt?« Wegener gab sich Mühe, beiläufig zu klingen. »Hast du Lafontaine erzählt, dass der Sozialismus eine alte Filmdiva ist? Aus der Distanz so unendlich viel schöner als aus der Nähe?«
    Die Schlaglöcher wurden weniger. Kräftiges Bremsen. Links auf die Seelenbinderstraße.
    Brendel lächelte schwarz-gelb. »Lafontaine ist auf dem Weg zum G8-Gipfel. Aber Ypsilanti war da.«
    »Sieht die gut aus, wenn sie vor einem sitzt?«
    »So gut wie eine alte Filmdiva.«
    »Dann sollte man ihr nicht zu nahe kommen.«
    »Vermutlich nicht. Außerdem hat man bei der das Gefühl, sie lügt, wenn sie den Mund aufmacht.«
    »Immerhin macht sie den Mund auf.«
    »Glaub mir, das willst du nicht.«
    »Reaktion auf Gruber?«
    »Alle sind erfreut.« Brendel schlug die Beine übereinander, fand das offenbar unbequem und setzte sich wieder gerade hin. »Die interessieren sich ja nicht im Einzelnen für Hoffmann oder irgendwelche Untergrundbrigaden. Die wollen nur eins wissen: Finden die Konsultationen am 19. und 20 . November statt oder nicht? Wenn die neuen Transitverträge nicht zustande kommen, ist das ein historisches Debakel für Lafontaine. Das Thema Soziale Energie hat ihm entscheidende Punkte gebracht, er muss liefern. Die Wirtschaft sitzt ihm im Nacken, die Unterschicht sowieso. Alle verlassen sich darauf, dass die Staatssicherheit mit der Affäre Hoffmann nichts zu tun hat und einen Täter aus dem Hut zaubert, damit den Konsultationen nichts mehr im Wege steht.«
    Rechts. Bahnhofstraße.
    »Und jetzt werden die Täter aus dem Hut gezaubert«, sagte Wegener, »die Stasi hat tatsächlich nichts damit zu tun.«
    »Zumindest sieht plötzlich alles eindeutig aus.«
    »Ein bisschen zu eindeutig, wenn du mich fragst.«
    Brendel nickte. »Uns haben sie auch nicht hier rübergeschickt, damit wir große Ermittlungserfolge feiern. Wir sind nur ein bisschen schmückendes Beiwerk für die europäischen Partner. Und für die Öffentlichkeit, wenn es hart auf hart kommt. Eine Beruhigungspille. Dem Kanzleramt ist es völlig egal, wie das ausgeht, Hauptsache, es klärt sich schnell. Da passt Gruber wie Arsch auf Eimer. Die stellen sich später hin und sagen, unsere Leute waren von Anfang an dabei, haben die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit überwacht und so weiter.«
    Der Wagen stoppte. Schienengeratter. S-Bahnhof Köpenick.
    »Das heißt, wenn das ZK sich dazu entschließt, mit Grubers

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