Plan D
eine historische Vergeltung, das Einschleichen nach Wandlitz, damit Hoffmann den Bürger-Leuten wichtige Emil-Fischer-Tipps geben konnte, wann, wo, wie man am besten ins Regierungsquartier gelangte, um das ganze ZK als Geisel zu nehmen oder an die Wand zu stellen oder mit einem japanischen Messer in feinste Scheiben zu schneiden oder mit einem gründlichen Zyankalieinlauf von seiner chronischen Illusionitis zu kurieren, natürlich hatte die Stasi den Verräter Hoffmann erhängt und damit ein eindeutiges Zeichen gesetzt und trotzdem von sich abgelenkt, doch dann die unvorhersehbare Panne: einer der Mörder wurde gierig, fuhr zum Tatort zurück, machte Fotos, verkaufte die Fotos an den SPIEGEL und rettete seine Rente, und jetzt standen sie da, die Stasis, Hoffmann tot, aber trotzdem in die Scheiße getreten, ein PR-Supergau unterm Schuh, der grässlich stank und langsam festtrocknete, also erfand man Gruber, ließ ihn aussagen und gestehen, damit war wieder alles im Lot mit dem Kot, die Schuld bei der Brigade, die Konsultationen so gut wie gerettet, nur ein Ermittler nervte noch, gab keine Ruhe, roch den Scheißschuh gegen den Wind, hatte halt bei Früchtl gelernt, also noch mal der Trick mit dem Attentäterverhör, und schon lief dieser Martin Alfons Wegener der Duftspur hinterher, stieg bereitwillig in jeden Barkas, ließ sich von unbekannten Männern an unbekannte Orte kutschieren, sagte niemandem, wo er war, weil er es selbst nicht wusste, stiefelte höchstpersönlich in die Höhle des Löwen, was Besseres konnten Steinkühler & Co sich gar nicht wünschen, drumherum alle im Bilde, alle außer Wegener, alle steckten sie unter einer riesengroßen, kratzenden Decke, in die jemand liebevoll Kleine Stasischweine gestickt hatte, Borgs war informiert, Borgs wusste, was es bedeutete, wenn der Barkas kam, Borgs gehörte dazu, Borgs hatte ihn gewarnt, eine kleine Beruhigung für das Borgs-Gewissen, indem er ihm erzählte, dass Karolina Hoffmann gekannt hatte, ein Warnschuss, den er partout nicht hören wollte, weil die Scheißespur so verlockend stank, auch Karolina war dabei, IM Judas, die Frau, mit der er vor viel zu langer Zeit geschlafen hatte, die ihn wahrscheinlich schon damals bespitzelt hatte, von der sie schon damals erfahren hatten, in welchem Keller der Normannenstraße er bei Nacht zu finden war, aber etwas stimmte nicht und das war Brendel, den konnten sie unmöglich einbuchten, Brendel war unantastbar, der würde im Westen auf die Pressepauke hauen, dass es krachte, der würde, und jetzt schlug es in Wegeners pochendes Goldkronegehirn ein wie eine Faustgranate der Volksarmee in einen Swimmingpool voller Woltrow-Waldmeisterpudding, Brendel würde gar nichts machen, weil sie vorausgedacht hatten, die Spielmacher der Staatssicherheit, weil sie klug genug gewesen waren, einen eigenen Mann im Westen aufzubauen, der sie nun beschützen konnte, der den Plan perfekt machte, der jetzt, in diesem Moment bonbonduftend neben ihm die hundertste Treppe runterging, der längst einen Oscar für die Rolle des konsternierten Westberliner Chefermittlers verdiente, der sichtlich zögerte, diesen maskierten Stiernacken in den Kellergang zu folgen, der ein absolut glaubwürdiges sorgenvolles Gesicht zog, der vorsichtig durch die muffige Düsternis tapste, an immer neuen Zellentüren vorbei, bis es langsam heller wurde, bis der Gang sich verbreiterte und in einen weiß gepolsterten Raum ohne Fenster führte, eine grelle Gummizelle mit weißen Stühlen und weißen Tischen, vollkommene Farblosigkeit, in der die Maskierten wirkten wie schwarze Löcher auf zwei Beinen, zu denen jetzt noch zwei weitere Maskierte dazukamen, einen dünnen Mann zwischen sich, der Dünne trug orangefarbene Häftlingskleidung und eine schwarze Kapuze über dem Kopf, die ihm jetzt abgenommen wurde, und das Gesicht darunter kannte Wegener so gut, dass er sich auf einen der weißen Stühle setzen musste, sofort, während dieses Gesicht ihn ansah, als wäre Wegener Karl Liebknecht in Hitleruniform, in einem Jacuzzi voller blubberndem Kommunistenblut, während dieses Gesicht sich mühsam sammelte und sagte: »Herr Hauptmann. Das ist wirklich eine Überraschung.«
24
T oralf, dachte Wegener, ausgerechnet Toralf, und er sieht wieder aus, als käme er direkt aus einem westlichen Musikvideo, ein Popper, der bis eben noch superschwule Sequenzen getanzt hat und dann von den Maskenmännern aus seinem weichgezeichneten Clip gezerrt worden ist. Selbst der orangefarbene
Weitere Kostenlose Bücher