Plan D
Interesse der Staatssicherheit.«
Marie sah jetzt trotzig aus. »Was weiß ich, wie diese Irren ticken oder warum die ganze Sache bei der Presse gelandet ist!«
Wegener räusperte sich. »Frau Schütz, ich muss Sie das fragen: War Ihr Vater bei der Stasi?«
Der Trotz verschwand, Marie lachte rau und herzlich. »Mein Vater war nie bei der Stasi, ganz sicher nicht. Glauben Sie das wirklich?«
»Nein. Aber in diesem Fall gibt es die seltsamsten Überraschungen, da fragen wir lieber zu viel als zu wenig.« Wegeners Augen suchten Maries Oberkörper nach kleinsten Erhebungen ab und fanden stattdessen zwei himbeergroße Warzen, die fleischig und überproportional zwischen den nassen Haarsträhnen herausragten. Gottes tiefroter, würdiger Ersatz für die vergessenen Brüste.
Marie lächelte ein müdes Lächeln. »Kennen Sie Martina Thal?«
»Ehemalige Ministerin«, sagte Wegener klapprig, das Eismeer biss ihn jetzt in den Arsch, in die Hüfte, in den Rücken. »Glaube ich. Um die Wiederbelebung rum.«
»Sonderbeauftragte des Zentralkomitees zur inneren Erneuerung und Restrukturierung der Staatssicherheit von 89 bis 92.«
»Oder so.«
»Sollte für Krenz den Geheimdienst umbauen, radikal verkleinern, ihn westlichen Maßstäben und Standards anpassen und so weiter.« Marie bewegte sich immer weiter ins Meer, während sie sprach, Wegener folgte ihr, Brendel im Schlepptau, die gefühlte Erfrierung reichte ihm jetzt schon bis zur Brust, seine Beine zwei prickelnde Eiszapfen, sein Schwanz ein Babydaumen, Maries Brustwarzen tauchten ab und wurden in Wegeners Kopf noch größer, wuchsen unter Wasser zu zwei steinharten Weintrauben, die nie mehr schrumpfen würden und die demnächst in den volkspolizeilichen Identifikationsausweis eingetragen werden mussten, Besondere Merkmale: Die krassesten Knospen der Sozialistischen Union (SU). »Aber das war alles nur ein offizielles Programm, um an die Demokratiedevisen zu kommen, die Nothilfetöpfe anzuzapfen und Care-Pakete von der EU einzuheimsen. Hinter den Kulissen sollte alles so bleiben wie immer, natürlich ein bisschen kleiner, aber am Ende die alte Stasi, die gleichen Leute, nur dass sie jetzt riesige Budgets für ihre Entwicklungsabteilungen hatten, für Geheimdienst-Hightech. Alles Westgelder, die offiziell in den Wiederbelebungsfonds geflossen sind.«
»Und damals hat sich Martina Thal in Albert Hoffmann verliebt«, sagte Brendel, »zwei Kämpfer für einen sozialistisch-demokratischen Posteritatismus, den sonst niemand wollte.«
Marie nickte.
»Erzählen Sie uns, was passiert ist.«
»Der Mädchenname meiner Mutter war Schütz, ihr erster Mann hieß Gerhard Thal, ein Germanist aus Leipzig.« Marie sah Brendel an. »1989 hat sie meinen Vater im Ständigen Beraterstab kennen gelernt. Von der Affäre durfte niemand was wissen, Staatssicherheit und Nationaler Strategischer Kontrollrat waren konträr positioniert, die sollten sich gegenseitig in Schach halten und nicht miteinander ins Bett gehen.«
»Und von Ihnen durfte man auch nichts wissen.«
Marie wischte sich die nassen Haare aus der Stirn. »Alles wurde geheim gehalten. Ich wurde geheim gehalten. Meine Mutter ließ mich unter ihrem Mädchennamen eintragen. Die letzten Monate der Schwangerschaft hat sie mit Attesten verschleiert. Offiziell war ich das uneheliche Kind einer Freundin von Martina Thal, der sie vorbildlich-solidarisch bei der Erziehung geholfen hat. Als ich sieben war, konnte sie nicht mehr. Sprang vor einen Zug.«
Wegener betrachtete Brendel. Der stand mit seinem harten Sonnenbrillengesicht so regungslos in der Ostsee, als hätte ihn gerade die Cosa Nostra versenkt, einen Betonklotz an den Füßen, nur dass das Meer hier nicht tief genug war, der Mann würde überleben.
»Und Ihr Vater?«
Maries Hände spielten im Wasser, schöpften es als Kelle aus der See und ließen es wieder zurückfließen. »Wurde später ein Freund, den ich heimlich traf. Ein Vertrauter, der nur mit mir offen reden konnte, weil er sonst niemanden hatte.« Marie lächelte. »Wenn man uns erwischt hätte, wäre ich seine kleine Hure gewesen.«
»Deshalb die Kondome«, stellte Wegener fest, »die Dildos, die Peitsche, die Potenzpillen.«
»Wir haben viele Spuren gelegt, die uns geschützt hätten.« Marie starrte ins Wasser. »Sie sind gut informiert.«
»Nicht gut genug.« Brendel nahm die Sonnenbrille ab. »Warum sollte die Staatssicherheit an Ihnen interessiert sein? Ihre Eltern sind tot. Das ist doch alles längst
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