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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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vorbei. Und mit dem Mord an Ihrem Vater hatten Sie ja wohl nichts zu tun.«
    »Man merkt, dass Sie aus dem Westen kommen.« Maries hübscher Spott war zurück. »Mein Vater hat Hunderte von Stunden mit mir geredet. Offen geredet. Weil wir uns vertraut haben. Ich weiß Dinge über dieses Land, die Sie mir niemals glauben würden. Und ich weiß, wie die Staatssicherheit arbeitet. Meine Mutter musste sich das zwei Jahre lang von innen anschauen, ohne es ändern zu können. Dieser Dreck hat sie das Leben gekostet. Ich kenne auch die Wirkung von Thiopental und dem ganzen Zeug.«
    »Wahrheitsdrogen.«
    »Ja, Wahrheitsdrogen, Herr Brendel. Die ostdeutsche Art, schnell ans Ziel zu kommen. Wenn die Stasi ahnt, dass es mich gibt, sucht sie mich, bis sie mich hat. Denken Sie doch mal nach, die versteckte Tochter von zwei ehemaligen Mitgliedern im Ständigen Beraterstab des Staatsratsvorsitzenden, beide über Jahre Kenntnisbefugte der Geheimhaltungsstuf e 1, beide schmeißen ihre Funktionen unter Protest hin, hochgradig konfliktrelevante Beziehungsstrukturen plus schwere emotionale und ideologische Krisis, die alarmierende Kombination schlechthin, unerlaubte Weitergabe sensibelster Informationen sehr wahrscheinlich, so heißt das im Agentenjargon der sozialistischen Faschisten. Die müssen sichergehen, dass ich nichts weiß. Das ist ihr Job. Die geben mir so lange Barbiturate, bis sie alles gehört haben, was mein Vater mir erzählt hat, und dann bleibe ich da drin, das verspreche ich Ihnen.«
    »Aber waru m …«
    »Er musste mit jemandem reden.« Marie starrte Brendel an, als hätte der die Staatssicherheit gerade erfunden. »So einfach ist das. Er musste mit jemandem reden, dem er vertraut.«
    »Apropos Vertrauen.« Wegener unterdrückte ein Bibbern. »Wer hatte ein Motiv, ihn umzubringen? Helfen Sie uns. Und ich verspreche Ihnen, es wird nie jemand erfahren, dass Albert Hoffmann und Martina Thal ein Kind haben.«
    »Und wenn ich nichts sage?«
    »Niemand erfährt was. Ich verspreche es Ihnen.«
    »Das Versprechen eines Vopos.«
    »Das Versprechen eines Vopos, der jetzt schon am Arsch wäre, wenn Otto Schily wüsste, mit wem ich hier gerade baden gehe.«
    In Maries Gesicht zuckte es. »Papa hat mir nie erzählt, was er plante oder woran er gerade gearbeitet hat. Seine Ideen waren ihm heilig, er wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Auch nicht von mir. Und ich habe nicht gefragt.«
    »Ich denke, er hat Hunderte von Stunden mit Ihnen geredet!«
    »Er hat nur von dem gesprochen, was schon passiert war. Von Dingen, an denen er nichts mehr ändern konnte. Das quälte ihn. Davon fing er immer wieder an.«
    »Wussten Sie, dass Ihr Vater sich unter falschem Namen Zutritt zum Regierungsquartier in Wandlitz verschafft und dort gearbeitet hat?« Brendel klang ungeduldig. »Fast zwölf Jahre lang. Als Gärtner!«
    Marie lachte. »Wie bitte?«
    »Es stimmt.«
    »Nein, das wusste ich nicht.«
    »Das hat er Ihnen zwölf Jahre lang verschwiegen, Frau Schütz?«
    Maries Lachen war zum zarten Lächeln geworden. »Wir haben uns ein- oder zweimal im Monat getroffen, er wird mir also noch einiges mehr verschwiegen haben.« Marie sah zum Strand, als hätte sie etwas gehört. »Sein Onkel in Heidelberg war Gärtner, bei dem hat er als Student gearbeitet. Er liebte Rosen.«
    »Er liebte Rosen.« Brendel blies die Backen auf. »Das mag ja sein, die Rosen haben ihn auch nicht erhängt.«
    Wegener sah Marie in die Augen. »Angenommen, Ihr Vater war nicht bei der Stasi und die haben ihn trotzdem umgebrach t – warum? Für welches Geheimnis würde die Staatssicherheit töten, so kurz vor den Konsultationen?«
    Marie hielt seinen Blick aus, sah kurz zu Brendel rüber, schwenkte zurück. Ihre Wimpern flatterten. »Ich vertraue Ihnen. Dafür erfährt niemand was von meiner Existenz. Niemals und unter keinen Umständen. Nicht in Ihrer Behörde, nirgendwo.«
    Wegener konnte nichts antworten, er schwamm jetzt in den tieftraurigen Entengrützeaugen, die ihn mit der Kraft einer Meeresströmung ansaugten, paddelte hilflos in Maries sattem Grün, merkte, wie das Blut zurück in seinen Penis strömte, wie der Penis sich streckte, vergrößerte, karolinawarm wurde vor lauter Bewunderung für dieses nasse, offene Gesicht.
    »Haben Sie schon mal vom Pla n D gehört?«
    »Haben wir. Eine Art Energieversorgungskonzept.«
    Marie sah belustigt aus. »Der Pla n D war sehr viel mehr als ein Energieversorgungskonzept. Er war eine umfassende Strategie zur

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