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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Gewicht, nicht mal Haarstoppeln, wo bei Marie Schütz ein tiefschwarzes Dreieck wucherte, das zu den Seiten dünn ausfranste und aus dem es tropfte. Die ist hierhergeschwommen, dachte Wegener und sah selbst durch die Sonnenbrille, dass der attraktive Brendelkopf kommunistenrot geworden war, alles, was sie braucht, hat sie in ihrer Tasche, irgendsoein wasserdichtes Taucherding, und auf demselben Weg haut sie gleich wieder ab, während wir hier als totalentblößte Zwangswiedervereinigung stehen, Ost und West stählern und rostfrei aneinandergekettet, der eine zugewachsen, der andere kahl, der eine bestückt wie ein hormonbehandeltes Pferd, der andere nur dürftiger Durchschnitt.
    »Frau Schütz, Sie veranstalten hier ein ganz schönes Affentheater.« Brendel musste seinen Ärger nicht spielen. »Kann ja sein, dass Sie den Tod Ihres Vaters unterhaltsam finden, wir finden das nicht.«
    »Sagen Sie ruhig Marie zu mir.« Der spöttische Ausdruck blieb. »Ich gebe Ihnen zwanzig Minuten.«
    »Könnten wir uns vielleicht in einen Strandkorb setzen?« Wegener hob die Handschellenhand hoch, Brendels Arm ging mit. »Das wäre ein bisschen diskreter.«
    »Die Strandkörbe sind abgeschlossen. Oder haben Sie einen gemietet?«
    Wegener versuchte lässig zu klingen. »Dann machen Sie einen Vorschlag.« Er nahm seine Sonnenbrille ab.
    »Baden wir ein bisschen.« Marie lächelte ihn an und ging mit seitlichen Schritten zum Wasser, schlenderte im Krebsgang, ihr Blick verharrte auf seinem Gesicht und Wegener hing plötzlich in diesen grünen Augen fest, zwei weit entfernte, kreisrunde Teiche voller Entengrütze mitten in einem dichten Wimpernwald. Hoffmann, der alte Zausel, hatte eine zarte Katzenschönheit in die Welt gesetzt, wie und mit wem auch immer ihm das gelungen war.
    »Etwas frisch, aber man gewöhnt sich dran.« Die erste Welle spülte den Sand von Maries Zehen. Schwarz lackierte Nägel.
    »Warum verstecken Sie sich, Frau Schütz?«
    »Aus vielen Gründen. Seit dem Tod meines Vaters auch aus Angst. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können.«
    Wegener ruckte leicht an der Handschelle und Brendel setzte sich in Bewegung. Als angegrautes Sado-Maso-Pärchen zottelten sie zum Wasser, wateten sofort hinein, ohne eine Miene zu verziehen. Zwei gedemütigte Männer, die sich nicht noch mehr Blößen geben wollten.
    »Wie haben Sie vom Tod Ihres Vaters erfahren?« Brendel hatte seinen höflichen Tonfall wieder gefunden.
    »Von einem guten Freund.«
    »Von einem guten Freund namens Werner Blühdorn.«
    Wegener musste sich beherrschen, um nicht mit den Zähnen zu klappern, seine Füße brannten vor Kälte, würden nachher nur noch zwei bläuliche Klumpen sein, die einfach abfielen und auf den Promenadebetonplatten in tausend Teile zersprangen.
    »Sie haben Recht, Werner hat es mir gesagt. Woher wissen Sie das?«
    »Ost-Westdeutsche Polizeiarbeit«, sagte Brendel mit einer Stimme, der man die Kälte nicht anmerkte.
    Wegener konnte nicht wegsehen, während Maries Nacktheit Zentimeter für Zentimeter von der Ostsee verschluckt wurde, die inzwischen schon an den dünnen Oberschenkeln leckte, die jetzt mit einer seichten Welle das lockige Schamhaargebüsch traf, es halbdurchsichtig an die helle Haut klatschte und eine geschlitzte Wölbung andeutete.
    »Was glauben Sie, wer Ihren Vater umgebracht hat, Frau Schütz?«
    »Im Westen schreiben sie, es war die Stasi. Werner hat mir den aktuellen SPIEGEL geschickt, kam heute Morgen an. Ich finde das ziemlich plausibel, was da steht.« Marie steckte den Handschellenschlüssel und die Ausweise in ihre Neoprentasche und zog den Reißverschluss zu. Ihr Schamhaar, die Wölbung, der Schlitz verschwanden jetzt endgültig in der frostigen, blauen Meerestinte. »Haben Sie schon herausgefunden, was passiert ist?«
    »Nein«, sagte Wegener, »noch nicht. Deshalb wollen wir mit Ihnen reden. Wir haben seit gestern Grund zu der Annahme, dass es tatsächlich die Staatssicherheit war, die Ihren Vater ermordet hat.«
    Marie starrte ins Wasser.
    »Aber wir stellen uns natürlich eine naheliegende Frage«, sagte Brendel. »Wenn es die Staatssicherheit war, warum hat man Ihrem Vater dann die Schnürsenkel zusammengebunden?«
    »Ein billiges Ablenkungsmanöver. Fallen Sie etwa darauf rein?«
    »Dann wäre es aber ein Ablenkungsmanöver, das nach hinten losgegangen ist. Wegen dieser zusammengebundenen Schnürsenkel schreibt der SPIEGEL über den Fall, und die Konsultationen stehen vor dem Aus. Das ist wohl kaum im

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