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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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ihre Beine immer noch gespreizt waren, dass ihr nasser Schamlippenmund nach wie vor sein erschrockenes O formte, eine Spiegelung des oberen, erschrockenen O-Mundes, ein kleiner, augenloser, glatt rasierter Zwilling im Schritt, aus dem jetzt etwas Weißes in Richtung Pobacken davonlief, Karolinas hochkonzentrierte, sämige Lust, ausgelöst durch keinen Kontakt, durch keine Berührung, durch keine Annäherung, sondern allein durch die Erwartung des versteinerten Hauptmanns, ein kitzelnder, unverdünnter Tropfen Vorfreude auf den Ex-Sex, dieses Bild vergesse ich nie, nie, nie, dachte Wegener und fummelte sich seinen Minirock zusammen, taumelte in den Flur, zog die Wohnungstür einen dünnen Spalt auf, Spalt, dachte Wegener, Spalt, Spalt und noch mal Spalt, sah zwei graue Mäntel mit dunklen Hüten und unsichtbaren Schattengesichtern, aus einem schnarrte es: »Weisen Sie sich bitte aus.«
    Wegener humpelte zur Garderobe, fand sein Portemonnaie, den Dienstausweis, war zurück an der Tür und hielt ihn den beiden Hüten hin.
    »Generalmajor Wischinsky lässt grüßen«, sagte der Rechte, hatte plötzlich einen Briefumschlag in der Hand, reichte den Umschlag rein und das war’s, keine Verabschiedung, kein Wort mehr, die zwei Kleiderständer stapften im Gleichschritt die alte Holztreppe hinunter. Jede Stufe dröhnte.
    Wegener riss den Umschlag auf. Ein Besuchsvisum plus Terminschein für die Normannenstraße. Vier Tage Gültigkeit. Unter Grund der Visite in weiblicher Kugelschreiberhandschrift: Einsicht streng vertraulicher Dokumente vor Ort i . S. Überwachungsvorgang Colombetstr., i . A. Hauptmann Wegener, genehmigt durch Generalmajor Renate Wischinsky .
    Er drehte sich um.
    Karolina stand im Flur und sah ihn an, schockierte Riesenaugen, die fürchterliche Dinge gesehen haben mussten und jetzt bitter bereuten.
    Ihre Hand griff nach der Türklinke.
    »Du gehst?«
    »Ich kann das nicht.«
    »Bleib. Bitte.«
    »Es geht nicht mehr.« Sie war schon draußen, rannte den Stasimännern hinterher, ihre Stiefel klapperten auf dem Holz nach unten, zweiter Stock, erster Stock, Erdgeschoss.
    Die Haustür böllerte ins Schloss.
    Wegener hörte Früchtl schwachsinnig kichern, ganz hinten im Hinterkopf, tut mir leid, keuchte Früchtl, dass ich lachen muss, tut mir wirklich leid, Martin, nimm mir das nicht übel, entschuldige bitte, aber das ist so tragikomisch, das ist so krank bekloppt, Martin lässt Karolina bespitzeln, dabei wirft Martin Karolina den großen Vertrauensbruch vor, und die Spitzel versauen Martin mit ihren Karolinaspitzelberichten den Karolinaspitzensex, komm schon, gib es zu, das ist nicht mehr zu schlagen, so was passiert nur dir, dem extratragischen Helden, das ist so unfassbar hart, härter ist nur deine Latte, muahaha, ich kann nicht mehr, aber du wolltest ja nicht auf mich hören, du musstest dich ja einlassen auf Spiele, deren Regeln du nicht kennst, du musstest ja selber zum Spielmacher werden, obwohl du weißt, was Spielmachern blüht, und von Rosen, mein Lieber, ist hier nicht die Rede.
    Wegener griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Das Handtuch rutschte. Seine alberne Erektion sah ihn vorwurfsvoll an und sagte: Der von Brendel ist aber doppelt so dick.

29
    D ie tiefstehende Sonne hatte eine Lücke zwischen den Retortenpalais gefunden, die einmal der Höhepunkt des Sozialistischen Klassizismus gewesen waren, jetzt schien sie quer über die Straße in die bodentiefen Schaufenster des »Jelzin«, ließ alte Kirschbaumpaneele in Karolinas Haarfarbe aufleuchten, glänzte auf den Krakenarmen der Messinglüster, zeigte sämtliche Parkettschrammen gleichzeitig, fasste den ganzen Raum in eine tröstliche Wärme, die Wegener vorkam, als sei sie von irgendwem für ihn bestellt worden, wohl wissend, dass er zum Kranken geworden war, zum Herzkranken, Kopfkranken, Magenkranken, dessen Leben in Gefahr war, falls er weiterhin überall Grau zu sehen bekam, der jede Farblosigkeit unbedingt zu meiden hatte, wenn er nicht wollte, dass man ihn in Kürze vom VIP-Car-Walk des EastSide kratzen musste, der nur in der einschläfernden, geborgenen Gemütlichkeit sonnenbestrahlter, rotbrauner Café-Holzflächen genesen konnte, wenn überhaupt.
    Brendel zündete sich das dritte Zigarillo in Folge an und schickte kleine Rauchquallen los, die in einem lichtgefüllten Swimmingpool nach oben zu treiben schienen, immer höher, dabei langsam zerschwebten. Sein schönes Gesicht war von den Ereignissen der letzten vierundzwanzig Stunden

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