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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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ausgelutscht worden wie eine Styroporschale Rinderhack von einem hungrigen Labrador.
    Frankenstein vegetierte im abgewetzten Ledersessel, geschlossene Augen, gefaltete Hände. Vielleicht schlief er. Vielleicht betete er.
    Kopfschüsse, dachte Wegener, könnte ich jetzt verteilen wie Karnevalsprinzen Küsse, einfach losballern auf alles, was sich bewegt, in die Robotron-Revolverspiel-Rolle des Justin Justice aus Faschistenfolte r III schlüpfen, zuerst auf zur Colombetstraße, warten, bis die Lügnerin das Haus verlässt, ihr mit zwei Kugeln die Kniescheiben entfernen, um dann die blutende Bewegungsunfähigkeit für eine allerletzte Rede zu nutzen, radikales Draufhauen in radikalen Zeiten , das Eisen an die Schläfe, danach vergeblich in den geplatzten Kopf geguckt, ob da eine mickrige Erklärung zu sehen wäre für so viel Verrat und Niedertracht, zum Schluss ein finaler Judaskuss auf die erkalteten Schamlippen, do swidanja, Karolina, nur tote Gas-Nutten sind gute Gas-Nutten, und dann käme der Rest dran, ein Exitus für alle, allein Kayser hatte sich durch Erschossenwerden vorzeitig entzogen, aber für den Rest der Welt bräche der Frühling des Todes an, ein sonniger Ausmärz, Wegener sah Christa Gerdes schlaff von ihrem Schreibtischstuhl rutschen, Jocicz wegrennen und nach drei Rückentreffern stolpern, fallen, liegen bleiben, Borgs, Lienecke, Gruber, Blühdorn umkippen, Steinkühler am Werderschen Markt zusammensacken, sein Blut, das auf die grauen Steinplatten liefe und die Worte Meine Wanzensammlung vermache ich dem Berliner Tiergarten formte, Maries nackte Füße mit schwarz lackierten Zehennägeln, die in das Steinkühlerblut traten und rote Amazonenabdrücke auf dem Boden hinterließen, die langsam trockneten, während Wegener mit dieser weltbezauberndsten Katzenschönheit am Arm in den Sonnenuntergang tingelte.
    Er sah auf sein Minsk. Kein Briefumschlag im TNT-Feld, keine neue Mail, kein Anruf in Abwesenheit.
    Was denkst du gerade, dachte Wegener und trank einen Schluck Kaffee. Wenn ich wüsste, was du jetzt gerade denkst, wüsste ich alles. Alles, was ich wissen muss. Dann würde ich keine Fehler mehr machen. Nichts zu beantworten, auf nichts mehr zu reagieren, was von Karolina kam, sie im selbstverschuldeten Sud ihres pseudogefühligen Sensibilitätsgetues schmoren zu lassen, das hatte er sich geschworen, aber Karolina, die Todgeweihte, schickte keine TNT, auf die man nicht antworten konnte, tat nichts, das man ignorieren konnte, keine Entschuldigung, kein Vorwurf, kein Friedensangebot. Das ist der finale Beweis ihrer Überlegenheit, dachte Wegener, dem anderen nicht mal die Chance zu geben, passiv zu sein, seine Versuche, Stärke zu beweisen, so lange ins Leere laufen zu lassen, bis er schwach wird, den heimlich abgeblasenen Angriff noch um das Überraschungsmoment der Kapitulation zu bringen, so was war nicht mehr zu steigern, da versagte jeder Feldherr der Weltgeschichte, das hatte von Napoleon bis Hitler niemand geschafft. Das konnte nur Karolina.
    Die Abendsonne versuchte, ein bisschen Farbe in Brendels Gesicht zu schminken, vergiss es, dachte Wegener, das sind die Züge eines Erledigten, gezeichnet vom größten anzunehmenden Misserfolg, vom Dauerverhör der letzten Nacht, von immer gleichen Vorwürfen und Nachfragen. Die BND-Männer waren harte Hunde, noch besser als ihre Kollegenschweine vom K5, statt sich gegenseitig zu beharken, griffen sie perfekt ineinander, Präzisionsarbeiter, international ausgebildete Getrieberädchen, die sich sofort zu einer gut geschmierten Anschuldigungsmaschine zusammensetzten, die jede Kollegialität unter gigantischen Radketten zermalmte, wer befragt wurde, war mitschuldig, ob West- oder Ostbulle, alles die gleichen Gerinnsel, seit wann sortiert man Versager nach Himmelsrichtungen. Vielleicht werden wir nie wieder so gleich sein wie in dieser Nacht, dachte Wegener und sah Brendel an, ein verlogenes Team, das die Hoffmann-Tochter mit keinem Wort erwähnte, das dem K5-BND-Gremium nur eine magere Staatssicherheits-Verschwörungstheorie servierte, Ronny Grubers Gastrolle als Brigade-Doppelagent und seine Hauptrolle als IM Hermes aufdeckte, ein zaghafter Verweis auf Greentec und das war’s, keine konkreten Ergebnisse, keine Beweise, keine Tatverdächtigen, keine Ahnung, in welcher Kneipe Ostberlins Hoffmanns Mörder gerade eine Molle bestellten. Wegener spürte die Gleichgültigkeit angesichts dieser Niederlage deutlicher als je zuvor. Karolina und Hoffmann, die Stasi

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