Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
Vom Netzwerk:
begann.
    »Martin!«
    Wegener zwang sich zu einem Lächeln. »Du siehst überrascht aus.«
    »Weil ich überrascht bin.«
    »Ich war mir nicht sicher, ob ich dich überrasche.«
    »Der Beweis steht vor dir. Ich bin baff.«
    »Mit Waffe.«
    »Entschuldigung.« Brendel ließ den Revolver sinken. »Der Anrufer gestern Abend, das warst doch nicht du.«
    »Nein, das war nicht ich. Das war Herr Günzow, ein strunzdämlicher Page aus dem EastSide.«
    Irgendwo krächzte es laut und missmutig, ein Rabe, dachte Wegener, die fröhlichen Überbringer guter Nachrichten. Dann tauchte der dunkle Fleck im Nebel auf, segelte über den Zentralplatz auf den Grabhügel zu, war plötzlich vogelgroß, schlug kräftig mit den Flügeln, umkreiste die Statue in einem weiten Bogen, näherte sich, zog eine enge Runde und verschwand aus Wegeners Blickfeld. Gelandet auf dem Kopf des Befreiers.
    Auch Brendels Blick war der Flugbahn gefolgt und kehrte jetzt widerstrebend zurück. »Ok, wie machen wir weiter?«
    »Ich frage, du antwortest.« Wegener setzte sich wieder auf den Poller, holte sein Minsk aus der Manteltasche und schaltete auf Vibrationsalarm. »Wie lange arbeitest du schon für die Staatssicherheit?«
    Brendel hielt den Revolver immer noch in der Hand, die Mündung zielte auf den Sockelboden. Er dachte nach. Für eine lange Minute sah es so aus, als würde sich der gedrungene Lauf jeden Moment wieder heben, als gehe es eigentlich nur noch darum, wie man einen erschossenen Volkspolizeihauptmann in einem sowjetischen Mahnmal so platziert, dass er erst gefunden wird, wenn die S-Klasse schon wieder über die Grenze gerollt ist. Einem geregelten Agentenleben entgegen.
    »Seit ich neunundzwanzig bin. Also seit dreißig Jahren.«
    »Weil?«
    »Falscher Ort für politische Debatten. Aber, Martin, nichts, was man tut, ist ohne Zweifel.« Brendel nickte, als müsste er sich seine eigenen Worte bestätigen. »Nichts ist innen so, wie es nach außen wirkt.«
    »Erzähl mir, was gelaufen ist, Richard.«
    »Das meiste weißt du schon.«
    »Erzähl es trotzdem. Ich helf dir.«
    »Muss das sein?«
    »Ja.«
    Brendel seufzte kaum hörbar. Dann schloss er die Augen.
    So sieht er also aus, wenn er mal tot ist, dachte Wegener, bleich und kraftlos, aber immer noch zu schön, um wahr zu sein, ein Topmodelspion, der trotz allem Mensch bleibt, der sichtlich unter dem Leid leidet, das er angerichtet hat, und der dennoch einen Orden bekommen wird, weil er alles richtig gemacht hat. Richard, der Vorzeigetrickser. Der größte Spielmacher von allen.
    »Die Stasi hat Ronny Gruber ursprünglich bei der Brigade eingeschleust, um Bürger zu liquidieren«, sagte Brendel. »Das klappte aber nicht. Bürger hält sich von jedem fern, den er nicht aus alten Zeiten kennt, das ist sein Überlebensrezept.«
    »Weiter.«
    »Dann hat man Ronny Gruber anders genutzt. Man erfand ihm eine Geliebte, die bei der Stasi arbeitete, und von da an fütterte er die Brigade mit vermeintlich brisanten Informationen. Er hat ihnen ein paar alte Stufe-3-Sachen angedreht, und die fraßen ihm aus der Hand. Behandelten ihn als wertvolle Quelle.«
    »Und dann stellte sich raus, dass Hoffmann zum zweiten Mal putschen wollte«, sagte Wegener. »Wie ist das aufgeflogen?«
    »Ich denke, dieser Dr . Wanser hat geplaudert, Hoffmanns Rosenfreund. Vielleicht haben sie irgendwelche Schmutzwäsche in Wansers Keller gefunden und ihn unter Druck gesetzt. Jedenfalls kam raus, dass Hoffmann in engem Kontakt zu Gysi stand. Es ist so, wie Marie Schütz gesagt hat: Hoffmann sah in den Gas-Konsultationen die Gelegenheit, auf die er schon so lange wartete. Er konnte beweisen, dass Krenz nie von der Volkskammer gewählt worden ist, und wollte mit diesem Belastungsmaterial an die Westpresse. Die Regierung sollte stürzen, Gysi neuer Staatsratsvorsitzender werden, Hoffmann der mächtige Mann im Hintergrund.«
    »Deshalb musste er weg«, sagte Wegener. »Aber eigenhändig wollte es die Stasi nicht machen, aus Angst, dass die Konsultationen scheitern, wenn irgendwas rauskommt. Richtig?«
    Brendel nickte.
    »Also ließen sie Ronny Gruber bei der Brigade von Hoffmanns Plänen erzählen. Schließlich hatte die Brigade ebenfalls einen Grund, Hoffmann loszuwerden. Wenn auch den entgegengesetzten.«
    »Die Brigade reagierte im Wesentlichen wie geplant. Sie räumten Hoffmann aus dem Weg, damit er dem Sozialismus nicht per Aderlass das Leben rettete.«
    »Also kann man sagen, dein Verein hat Albert Hoffmann von Bürgers Leuten

Weitere Kostenlose Bücher