Plan D
Irgendwo weit vorn brannten rote Bremslichterflecken. Reifenquietschen. Das Röhren ebbte ab.
Niemand sagte etwas.
Der Hase Hoffmann, dachte Wegener während der Fahrtwind ihm kräftig in die Haare griff, was hat der Hase Hoffmann in Wandlitz belauscht, hinter den Hecken, die er als Emil Fischer zurückschneiden musste? Was hatte er mitgehört, rasenmähend und blumengießend, während die Bonzen Bonzenkaffee auf der Bonzenterrasse tranken oder Bonzenwhisky in der Bonzenbibliothek? Was war ihm zu Ohren gekommen und hatte ihn seinen faltigen Hals gekostet? Als Wegener den Kopf nach links drehte, sahen Brendels Blauaugen ihn an, durchschauten ihn, direkt und ohne sich für diesen Blick zu schämen. Für ein, zwei Sekunden unterhielten sich vier Augen, zwei blaue und zwei graugrüne, auf der ledergepolsterten Rückbank des einzigen DDR-Buggys der Welt, in dem demnächst vielleicht Krenz und Lafontaine sitzen und sich genauso brüderlich-entfremdet anstarren würden. Wegener schaute wieder nach oben ins Blätterdach und wusste nicht, was er gerade im Blau von Brendels Augen gelesen hatte.
Am Ende der Allee bremste Meffert und bog von der Straße auf den Rasen ab, umkurvte einen Teich mit dichten Schilfrändern, fuhr an einer Gruppe Eichen vorbei, einen Hügel hinab. Der Buggy holperte über Wurzeln, rumpelte, alle hopsten auf ihren Sitzen, dann waren sie unten. Eine sportplatzgroße Wiese öffnete sich. Weit hinten leuchtete eine cremefarbene Villa.
»Der Tempel da drüben«, rief Meffert, »die Residenz Krenz! Heißt bei uns nur Avecsouci ! Sie verstehen?«
Dann trat er das Gaspedal durch. Der Buggy machte einen Satz und schoss auf die freie Fläche. Kayser hielt sich mit beiden Händen am Seitenholm fest, ein kräftiger Luftzug pfiff durch den offenen Wagen, Wegener duckte sich, Brendel versuchte, seine flatternde Krawatte einzufangen. Die Tachonadel stieg auf 50, dann auf 6 0 km/h.
»Und da sind die Volvos gerade hingefahren?«, rief Brendel. »Zu Krenz?«
Meffert lenkte nur mit der rechten Hand. Der Gegenwind schien sein Grinsen noch breiter zu machen. »Innenministerium, Außenministerium, Sicherheit, Begleitfahrzeuge. Ich hab Kennzeichen in meinem Schädel, das glauben Sie gar nicht! Die ganze Birne, alles voll Kennzeichen! Wollte mich schon bei Lippert anmelden! Wetten, dass ic h …«
»Also ist irgendwas im Busch!«, schrie Kayser gegen das Pfeifen an.
Die Nadel stand jetzt bei 7 0 km/h.
»Solche Fragen bitte an den Chefgärtner! Sie verstehen? Harr-Harr!« Meffert ging abrupt vom Gas, stieg auf die Bremse, Brendel und Wegener rutschten gegen die Vordersitze. Meffert schlug das Lenkrad ein und steuerte auf ein Birkenwäldchen zu.
Der Buggy nahm wieder Fahrt auf. Wegener sah, wie Kayser sich krümmte. Die Kayser-Fäuste klammerten sich an den Seitenholm. Das Birkenwäldchen kam näher, Meffert bremste nicht, gab lieber noch mehr Gas, wurde schneller, hielt das Steuer mit einer Hand auf Kurs, saß wie erstarrt, peilte, lenkte, rauschte exakt zwischen zwei grauweißen Stämmen durch.
Kayser richtete sich langsam auf.
Wegener merkte, dass sein Herz raste.
» … Wetten, dass ich sämtliche Kennzeichen der für Wandlitz autorisierten Personenkraftwagen anhand der ersten drei Stellen erkenne?«, rief Meffert und lachte ein einsames Lachen.
Der schmale Weg führte durch dichten Birkenbestand, schlängelte sich sanft nach links, dann nach rechts, ließ die Bäume hinter sich und endete auf dem ersten Golfplatz in Wegeners Leben. Saftig grüne Rasenflächen, geschoren wie der graue Kranz um Kaysers Glatze. Hügel, Teiche, eine Sandgrube. Niemand spielte.
Meffert ließ den Wagen auf ein Green zurollen, an dem zwei Männer in olivfarbener Arbeitskleidung standen. Ein Rothaariger mit kantigem Gesicht redete mit einem Jüngeren, deutete in Richtung Himmel, griff mit beiden Händen in die Luft, als knete er einen schwebenden Teig. Dann sah er den Buggy und machte eine brüske Armbewegung. Der Jüngere nickte und zog enttäuscht ab.
»Anton Dörnen«, sagte Meffert und hielt an. »Gärtnereisicherheitsbeauftragter der Sonderschutzzone B-W-1.« Meffert zeigte Zähne. »Witz gemacht. Den Titel gibt’s noch nicht.«
»Harr-Harr«, sagte Kayser.
Dörnen war ein paar Schritte auf den Wagen zugegangen. Mitte vierzig, schätzte Wegener. Ehrliches, hartes Gesicht. Ein dünner, rotblonder Schnurrbart, den man erst sah, wenn Dörnen direkt vor einem stand.
Meffert wartete, bis alle ausgestiegen waren.
»Anton,
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