Plan D
Streifenwagen.
Brendel suchte Wegeners Blick im Rückspiegel. »Vielleicht ist das doch nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch in Wandlitz.«
»Oder gerade. Viel mehr gibt’s ja nicht zu tun.«
»Da hat er Recht«, stellte Kayser fest. »Dank dieser faschistoiden Majors-Trockenpflaume. Bei der steht vielleicht ne Menge in ihren heißgeliebten Akten, aber von der Wandlitz-Sache hatte sie keinen Schimmer.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass der Ausweis echt ist«, sagte Brendel. »Oder eine erstklassige Fälschung.«
Wegener starrte aus dem Fenster. Ein irre gewordener Ameisenhaufen, den irgendjemand mit dem Stiefel erwischt hatte, mitten rein, empfindlich getroffen. Ein Gedanke schlich sich an, kam näher, machte sich breit: Hoffmanns Ausweisfälscher. Wenn man den hätte. Diesen Typ dazu bringen, einen BRD-Pass zu machen. Und einen Polizeiausweis, Kripo Berlin West. Wenn der Typ keine Lust hat, krieg ich ihn dran, dachte Wegener, Urkundenfälschung im Fall Hoffmann, Unterstützung von Staatsfeinden, ab nach Bautzen. Also hat er Lust. Fälscht für mich zusammen, was immer ich will. Brendel besorgt über Beziehungen die nötigen Blankodokumente. Wenn die Mordsarbeit erledigt ist, reisen nicht zwei, sondern drei Beamte zurück in den Westen. An irgendeiner alten Grenzstation in Thüringen. An einer mit alten, störungsanfälligen Kameras. Als Duo rein, als Trio wieder zurück. Die Exportnation DDR macht ihrem Namen alle Ehre.
*
»Wie geht’s denn dem ollen Borgs? Raucht immer noch wie Eisenhüttenstadt, was?« Karl-Heinz Meffert schlurfte über den weißen Kies auf einen gepflegten Garagenhof zu und grinste wie ein Pferd. »Kriegte damals schon sein Kraut aus Kuba. Weiß der Geier, wen von den Kastraten er an den Eiern hat! Harr-harr!«
»Raucht und hustet«, bestätigte Wegener.
»Aber gute Ware«, sagte Brendel, »ich durfte mal.«
Mefferts Pferdegrinsen wurde zum Kamelgrinsen. »Und bei Ihnen drüben ist das alles schon ad acta mit der Quarzerei, überall verboten und so, was? Sic transit, Freunde des Genusses, sic transit!«
»Privat ist noch. Das war’s.«
»Lieber eine Diktatur des Proletariats als eine Diktatur des Protektariats.« Meffert war vor einer Doppelgarage stehen geblieben, kramte den Schlüsselbund eines vielbeschäftigten Gefängniswärters aus der Jackentasche und schloss auf. »Jetzt fällt Ihnen gleich die Fettbemme aus dem Gesichtsfeld, das ist ein Versprechen!«
Der rechte Torflügel öffnete sich ohne jedes Quietschen.
Ein Papamobil, Unfallwagen, dachte Wegener. Oder ein viersitziger Rasenmäher.
Meffert kratzte sich die glänzende Glatze. »Bitte Platz zu nehmen auf einem waschechten Staatsgeheimnis. Wer Kayser heißt, soll vorne sitzen. Die anderen Herren bitte nach hinten.«
»Ein Buggy?«, fragte Brendel ein bisschen fassunglos. »Von Trabant?«
Meffert sackte hinters Steuer. »Buggy kenn ich nicht. Hier heißt das Ding nur unser Golf .« Er drehte den Zündschlüssel um, der Motor sprang knatternd an. »Sie verstehen?«
Wegener setzte sich neben Brendel auf die Rückbank. Weiche Kunststoffpolster, keine Anschnallgurte. Der Auspuff röhrte. Meffert hatte sich in seinem Fahrersessel halb umgedreht, legte den Arm um den Beifahrersitz und steuerte mit gebleckten Zähnen rückwärts aus der Garage. Es roch nach faulen Eiern und Brendels Bonbonparfum.
»Der fährt aber nicht mit Sonnenblumenöl.«
»Der letzte Diesel der DDR«, rief Meffert, »naja, fast!«
Kayser lächelte. Zum ersten Mal, dachte Wegener. Keine Arroganzmimik, keine Blasiertheitsgeste, kein Überlegenheitsgetue. So sieht Herr Kayser vom BND aus, wenn er glücklich ist. Vielleicht, weil er vorne sitzen darf. Oder weil Meffert den Arm um seinen Sitz gelegt hat. Ein feixendes Liebespaar, Ost und West. Beide keine Haare, aber fröhlich vereint auf einer motorisierten Hutschachtel.
»Hier ist ja damals alles plattgemacht worden, zweiundneunzig. Das ganze Wandlitzer Ghetto. Standen nur noch die Bäume.« Meffert kurbelte mit rechts und malte mit links einen Kreis in die Luft. »Areal verfünffacht, alles neu aufgebaut, größere Häuser, größere Grundstücke und hinten dran ein Golfplatz. Wunsch vom Chef.«
»Achtzehn Loch, nehme ich an«, sagte Brendel.
»Gott bewahre. Neun!« Meffert schaltete in den Vorwärtsgang, gab Gas und preschte über den Hof, dass der weiße Kies flog. »Wir sind in der DDR, da gibt’s ohnehin schon zu viele Löcher. Sie verstehen?«
Wegener beugte sich vor. »Achtung
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