Plan D
großes Aufgebot. Wir haben Besuch von Herrn Kayser, Bundesnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Brendel von der Kripo Berlin West, und von Herrn Wegener, Volkspolizei Berlin. Es geht um Emil.«
Dörnen verteilte kräftige Händedrücke, kreuzte anschließend soldatisch stramm die Arme hinter dem breiten Rücken und guckte mäßig erwartungsvoll in die Runde.
»Mehr weiß ich selbst noch nicht«, sagte Meffert in Richtung Dörnen, zog ein silbernes Etui aus der Hosentasche und nahm ein Zigarillo heraus. »Dachte, wir besprechen das gleich gemeinsam. Kannte den Emil ja nicht so gut wie du.«
Dörnen nickte.
Wegener lehnte Mefferts Zigarilloangebot mit einem Kopfschütteln ab. »Herr Dörnen, seit wann ist Emil Fischer hier in Wandlitz beschäftigt?«
»Ich bin seit 2003 dabei«, sagte Dörnen mit Bass-Stimme, »da war Emil schon da. Ich würde sagen, Ende der Neunziger. Das genaue Datum haben wir in den Akten.«
»Ende der Neunziger kommt hin«, sagte Meffert.
»Ist ein Achtzigjähriger nicht viel zu alt für so einen Job?«
»Überhaupt nicht«, sagte Dörnen. »Emil ist topfit, wie man bei Ihnen sagen würde. Unser Rosenexperte. Züchtet selbst. Keiner, den ich kenne, hat mehr Erfahrung als er.«
»Seine Tätigkeit hier kostet ihn kaum körperliche Kraft«, erklärte Meffert. »Er liebt seinen Job, kommt unter Leute, hat eine Beschäftigung. In der DDR wird die Arbeitskraft älterer Menschen geschätzt.«
»Leider auch an der Staatsspitze«, sagte Kayser.
»Und was ist Fischer für ein Typ?«, fragte Brendel.
»Ein guter«, sagte Dörnen. »Zuverlässig, freundlich und schlau. Wir nennen ihn den Professor.«
Wegener nickte. »Vielleicht kommt Ihnen die Frage seltsam vor, aber haben Sie jemals gedacht, dass mit diesem Emil Fischer etwas nicht stimmen könnte?«
Dörnen sah aus, als wären ihm gerade seine neun Greens verwelkt. »Nein.«
»In den ganzen Jahren keine ungewöhnlichen Vorkommnisse?«
»Als er vor vier Tagen nicht zur Arbeit erschien, ohne sich abzumelden, da haben wir uns Gedanken gemacht. Seitdem können wir ihn nicht erreichen. So was ist völlig untypisch für Emil.« Dörnen betrachtete seinen Rasen. »Ich nehme an, er ist rüber?«
»Warum nehmen Sie das an?«
»Das ist doch wohl klar.«
»Nein, das ist mir überhaupt nicht klar.«
Dörnens hartes Gesicht sah aus, als wollte es gleich lächeln. »Sind die Herrschaften aus dem Westen zum Golfspielen hier?«
»Klettern Ihre Gärtner öfter über die Mauer?«, fragte Kayser.
»Kommt drauf an, welche Mauer Sie meinen.«
Meffert bellte ein kurzes Lachen und klopfte Kayser auf die Schulter. »Grundkurs Wandlitz, Folge eins: Die DDR hat drei Mauern. Eine an der innerdeutschen Grenze, die kennen Sie zur Genüge, eine um die Sonderschutzzone Wandlitz, eine um Avecsouci . Wir sind hier also, wie man bei uns sagt, hinter der zweiten Mauer.«
»Es wäre nett, wenn Sie jetzt mal erzählen, was mit Emil ist«, sagte Dörnen. »Wir machen uns nämlich Sorgen.«
»Er ist tot«, sagte Kayser.
Dörnens Gesicht verhärtete sich noch mehr.
Ahnunglos, dachte Wegener. Hatte neun Jahre lang ein Ei im Nest und hält seinen Emil für einen Republikflüchtling.
»Herr Meffert, wie umfangreich werden die Leute durchleuchtet, bevor man sie in Wandlitz arbeiten lässt?«, fragte Brendel.
»Umfangreicher als irgendwo sonst.« Meffert blies eine Rauchwolke in die Luft. »Polizeiliches Führungszeugnis, zwei unabhängige psychologische Gutachten, Gesinnungsgespräch, detaillierte Überprüfung der Biografie, des gesamten Umfelds. Falls was vorliegt, auch geheimdienstliche Erkenntnisse. So läuft das heute. Früher war es ein bisschen weniger. Und was kommt jetzt?«
»Nicht viel«, sagte Kayser. »Aber vielleicht besprechen wir das in Ihrem Büro.«
Meffert zuckte mit den Schultern, zog an seinem Zigarillo, blies Qualm in die Luft. »Wenn wir hier wirklich ein Leck haben, stehe ich dafür gerade. Und die Bereichsleiter werden sowieso informiert.«
Brendel sah dem Qualm hinterher. »Emil Fischer hat unter falschem Namen bei Ihnen gearbeitet. Er hat ein Doppelleben geführt.«
Schweigen.
»Ich nehme an, er war hier nicht Vollzeit beschäftigt?«
»Zwei, drei Tage die Woche«, sagte Dörnen. Sein hartes Gesicht zeigte nicht die geringste Regung. »Jeweils von März bis Oktober.«
»Hatte er Zugang zu besonders sensiblen Bereichen? Stand er durch seine Tätigkeit mit Regierungsmitgliedern in Kontakt?«
»Nein, absolut nicht.«
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