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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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spielt Golf?«
    »Er versucht es.« Meffert bog hinter der letzten Garage auf einen asphaltierten Weg ab. »Hat ja oft Staatsgäste hier, dachte vielleicht, die wollen auch mal. Und damit man nicht den ganzen Tag rumlatscht, sondern auch bisschen Zeit übrig hat, um den Sozialismus zu retten, wurde dann die Karre hier in Auftrag gegeben.«
    »Von Krenz persönlich?«, fragte Kayser.
    »Von Achtung persönlich«, bestätigte Meffert. »Prototyp.«
    »Was soll das eigentlich immer mit diesem Achtung ?«, fragte Kayser.
    »Der Achtung heißt halt Achtung«, sagte Meffert, »ein Spitzname. Das kommt von den Alpen, Herr Wegener, oder?«
    »Fragen Sie mich nicht.«
    » Egon ist ein Warnruf der Bergsteiger«, sagte Brendel. »Bedeutet so viel wie Achtung, Steinschlag! «
    »Die ewige ostdeutsche Angst, eins auf den Kopf zu kriegen«, sagte Kayser. »Fährt Achtung denn auch mit seinem Prototyp?«
    »Nee, fahren muss ich ihn!« Mefferts Kamelgrinsen blühte wieder auf, er ging vom Gas, steuerte einen Miniaturkreisverkehr an. In der Mitte des Kreisels verblühte Rosenrabatten. Wohin man sah, gepflegte Parklandschaft: alte Hängebuchen, Linden und Weiden auf kurzgemähtem Rasen. Kaninchen hoppelten herum, die Ohren aufgestellt. Professionelle Lauscher, dachte Wegener. Stasitiere. Überall in Wandlitz versteckt, um die Regierung auszuhorchen. In diesem Land ist man nirgendwo sicher und am wenigsten dort, wo man es erwartet. Der misstrauische Ermittler misstraut Wandlitz, hätte Früchtl gesagt. Und den Kaninchen.
    »Wie lange machen Sie das schon?«
    »Dreiundzwanzig Jahre und fünf Monate«, sagte Meffert, ohne zu überlegen, und bog in den ersten Abzweig des Kreisverkehrs ein. »Zwei Jahre am Haupttor, Kontrollposten. Dann Einzelobjektbewachung. Nach der Wiederbelebung Fortbildung zum Sicherheitsreferenten, irgendwann stellvertretender Sicherheitsbeauftragter nationale Sonderschutzzone B-W-1, dann Sicherheitsbeauftragter nationale Sonderschutzzone B-W-1.«
    »Eine Karriere«, sagte Kayser.
    »Sie meinen: eine Stasikarriere«, sagte Meffert und verschaltete sich. Das Getriebe kreischte, der Wagen zuckte, dann war der richtige Gang drin.
    Jetzt beugte Brendel sich vor. »Der Sicherheitschef macht den Golfplatzchauffeur für Krenz?«
    Meffert bellte ein kurzes Lachen. »Das sind unsere Besprechungstermine, Herr Brendel! Da wird alles bekakelt, was das Quartier betrifft. Frische Luft, niemand hört und niemand stört. Zwischendurch macht der Chef Abschlag. Und dann wird einer eingelocht. Sie verstehen?«
    »Würde mir auch Spaß machen, mit diesem Ding hier rumzugasen«, stellte Kayser fest. »Das kann was.«
    »Ja, klar!« Mefferts Kopf wippte. »Trabant de luxe. Besser gefedert als jeder Phobos, bessere Sitze, besserer Motor.«
    »Und bessere Gegend«, sagte Wegener.
    Hinter Baumkronen, Hecken und schmiedeeisernen Zäunen versteckten sich die ersten Villen. Schwarz glasierte Dachziegel und weiße Fassadenteile blinkten durch die Blätterwände. An sämtlichen Torpfosten Überwachungskameras. Auf den Zäunen gerollter Stacheldraht.
    »Sieht ganz schön nach Westen aus, der Osten, was?«
    »Sieht manchmal auch ganz schön nach Osten aus, der Westen.«
    »Harr-Harr!« Meffert bog in eine breite Parkallee ein. Alte Eichen standen sich gegenüber. Große Schattenflecken auf dem glatten Asphalt. Kein einziges Schlagloch, stellte Wegener fest und legte den Kopf auf die gepolsterte Nackenstütze. Über ihm griffen die knorrigen Äste der Bäume ineinander, kreuzten ihr schweres Holz, reichten sich über die geteerte Grenze hinweg hundert Hände mit mageren Fingerchen, wurden zu einem dunklen Dach, von hellen Punkten durchstochen. Meffert gab Gas und die Punkte verschwammen, der Blätterbaldachin wurde flächig.
    Plötzlich dünnes Reifenquietschen.
    Gedämpftes Röhren.
    Wegener und Brendel drehten sich gleichzeitig um.
    Etwas flog ihnen vom Ende der Allee hinterher, kam auf sie zu, blitzte, wenn es von den Lichtpunkten getroffen wurde. Das Röhren steigerte sich in Sekundenschnelle, wurde zur glotzenden Kühlervisage eines breiten, schwarzen Volvos, zu vier, fünf, sechs schwarzen Volvos, die wie an einer Schnur gezogen vorbeisausten, verzerrte Spiegelungen des Buggys und der Eichenstämme in den getönten Scheiben, sechs identische Momentaufnahmen, dann waren die Wagen wieder in den Baumschatten abgetaucht, nicht mehr zu sehen, Tarnkappenlimousinen, nur das Röhren blieb in der Luft, als schwebe direkt über ihnen eine alte Tupolev.

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