Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Geschichte neu schreiben, wenn wir uns gemeinsam Mühe geben.«
Bis vor kurzem war es kaum möglich, Kompensation für vergangenes Unrecht einzuklagen. 1996 aber reichte eine Gruppe von Indianern gegen die USA eine Klage ein wegen »Misswirtschaft, Korruption und Betrug seitens der offiziellen Behörden«. Es ging um ein Verbrechen, das über 100 Jahre her war: den oben erwähnten »Dawes Act«. Bei »Cobell v. Salazar«, wie der Fall vor Gericht hieß, handelte es sich um eine der größten Sammelklagen gegen den Staat in der Geschichte der USA . Das Ziel war, Schadensersatz für eine riesige Gruppe von Indianern zu fordern, die aufgrund unfähiger oder korrupter Behörden unter dem »Dawes Act« zu leiden hatten: Die Anzahl der möglichen Betroffenen wird auf zwischen 250.000 und 500.000 geschätzt.
Es ging um eine Menge Geld, und die Regierung wehrte sich nach Kräften, bis 2008 ein regionales Gericht den Klägern 455 Millionen Dollar zusprach.
Dass ein Gericht zugunsten der Indianer urteilte, machte den Klägern Hoffnung und die Regierung nervös. Denn den Indianern war die zugesprochene Summe nicht genug. Sie gingen in Revision. Der Regierung war klar, dass sie den Fall verloren hatte und dass die Summe, die sie zahlen musste, jetzt ins Unermessliche steigen konnte. Sie überlegte fieberhaft, wie sie den Schaden begrenzen könnte, und trat mit den Klägern in Verhandlungen. Als die Gespräche 2010 endlich abgeschlossen wurden, waren die Indianer um 3,4 Milliarden Dollar reicher.
Doch die eigentliche Wende kam 2009, als Präsident Obama eine offizielle Entschuldigung unterschrieb, in der die USA die besondere politische Beziehung zu den Indianerstämmen und auch deren traditionelle Verbundenheit mit ihrem Land, auf dem unser Staat sich befindet, anerkennen und zugeben, dass die Indianer jahrzehntelang von offizieller Seite Demütigungen und Vertragsbrüche erdulden mussten.
Damit stellte er sich in eine Reihe mit seinen beiden Vorgängern, die sich ebenfalls zur unfairen Behandlung von Minderheiten durch die USA geäußert haben. Bill Clinton machte den Anfang: 1993 entschuldigte er sich für die unrechtmäßige Annektierung von Hawaii. 2003 nannte George W. Bush überraschenderweise die Sklaverei »eines der größten Verbrechen der Menschheit«; daraufhin entschuldigte sich der Kongress 2008 offiziell für die Sklaverei und die darauf folgenden »Jim Crow«-Gesetze. Endlich kamen nun die Indianer an die Reihe. Das hat Folgen, denn eine Entschuldigung ist eine Anerkennung der Schuld – und jede Klage seitens der Indianer hat von nun an größere Aussichten auf Erfolg.
Eines der größten Missverständnisse ist auch heute noch, dass Indianer samt und sonders in Reservaten leben. Mehr als die Hälfte wohnt inzwischen ganz woanders. Zwar begreifen sich die Stämme weiterhin als souveräne »Nations« und halten ihre Kultur und Traditionen hoch, aber die meisten ihrer Mitglieder leben nun ihr tägliches Leben mitten in der ehemaligen Parallelgesellschaft – unter uns. Es werden auch zahlreiche Ehen unter Weißen (bzw. Schwarzen) und Indianern geschlossen, und heute gibt es mehr »Halbblute« als »Vollblute«, wie Karl May es ausdrücken würde.
Die Mehrzahl der Indianer zieht es heute in die Großstädte wie die meisten anderen Amerikaner auch. Darunter sind junge Footballstars wie Sam Bradford und Tyler Bray oder Hollywood-Schauspieler wie Grahame Greene oder Lou Diamond Philipps. Einer der einflussreichsten Rockpoeten der 60er, Robbie Robertson von The Band ( The Night They Drove Old Dixie Down bzw. auf Deutsch: Am Tag als Conny Kramer starb ), hatte einen jüdischen Vater und eine Mohawk-Mutter. Nachdem N. Scott Momaday mit seinen Roman House Made of Dawn im Jahr 1969 den begehrten Pulitzer-Preis gewonnen hatte, ist die Zahl der erfolgreichen Indianerautoren stark angestiegen, und in literarischen Kreisen spricht man seit 1983 gar von der »Native American Renaissance«. Vor allem die halbdeutsche Chippewa Louise Erdrich ist erfolgreich mit ihren Büchern über das Leben im Reservat oder auch unter deutschstämmigen Einwanderern in typischen Kleinstädten. Einer meiner Lieblingsautoren ist der Spokane Sherman Alexie, der das Reservat in jungen Jahren verließ, um das Schreibhandwerk zu erlernen: Seine besten Kurzgeschichten findet man in The Lone Ranger and Tonto Fistfight in Heaven , verfilmt unter dem Titel Smoke Signals .
Zahlreiche Stars, von Billy Bob Thornton, Johnny Depp und Kim Basinger bis hin
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