Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
der Casino-Stämme verteilen ihre Profite unter Stammesangehörigen; die anderen investieren sie in Programme wie Arbeitslosenhilfe, Rente, Bildung oder Infrastruktur. Und dann sind da natürlich auch die nicht-indianischen Investoren, die ihren Anteil wollen. Trotzdem liegen zwischen einem Reservat mit Casino und einem ohne Welten.
Es ist aber nicht so, dass es einigen Indianern so gut geht, nur weil ihnen plötzlich Geld in den Schoß gefallen ist. Die meisten dieser aufstrebenden Stämme arbeiten seit den 1970ern hart an ihrem Erfolg.
Schon ab 1979 begannen die Choctaw, einer der ehemaligen »Five Civilized Tribes«, die den »Trail of Tears« durchgemacht haben, Unternehmen anzulocken, indem sie diesen günstige Bedingungen versprachen, wenn sie ihren Firmensitz in das Reservat verlegten und dort Indianer einstellten. Zu den günstigen Bedingungen zählten solche Kleinigkeiten wie Steuerfreiheit. Heute sind die Choctaw selbst einer der größten Arbeitgeber in Mississippi mit 19 Unternehmen und 7.800 Angestellten. 1992 stiegen auch sie ins Casino-Geschäft ein, und ihre Etablissements zählen heute zu den größten der USA .
Das Comeback der Cherokee – auch ein »Trail of Tears«-Tribe – begann in den 1970ern. Die größte der drei Cherokee-Gruppen, die Cherokee Nation in Oklahoma, setzte 1976 eine eigene Verfassung ein und begann, die Wirtschaft ihres Stammes auszubauen, gründete Baufirmen, Rüstungs- und Immobilienunternehmen. Die Nation führte auch die Philosophie des »gadugi« ein: Das Wort bedeutet »zusammenarbeiten« und bezeichnet die soziale Kooperation innerhalb einer Gemeinde. Seit Casinos erlaubt wurden, blühten alle drei Cherokee-Gruppen auf. Heute betreibt die Cherokee Nation 8 Casinos, 47 Tabakläden und mehrere Tankstellen. Darüber hinaus hat die Nation mehrere Gesundheitskliniken in Oklahoma gebaut sowie Straßen, Brücken und Universitäten, sie betreibt eine Neuauflage der zweisprachigen Zeitung Cherokee Phoenix und sponsert den Cherokee-Nationalfeiertag sowie ein Cherokee-Filmfest.
Seit dem Casino-Boom ist ein merkwürdiges Phänomen zu beobachten: Immer mehr Indianer werden aus ihren Reservaten rausgeschmissen. Das kommt so: Eines Tages kriegt man einen Brief, in dem steht, dass der Stammesrat entschieden habe, dass man nicht die richtigen Vorfahren habe und deshalb ab sofort nicht mehr zum Stamm gehöre.
Es ist ja schwer zu beweisen, dass man Indianer ist. Man muss belegen können, dass mehrere Vorfahren Indianer waren, und zwar Indianer eines bestimmten Stammes. Erst dann ist man Teil desselben und genießt auch die Vorteile: Beteiligung am Land und, je nach Stamm, vielleicht sogar am Gewinn des Casinos.
Seit dem Casino-Boom kehren immer mehr Indianer in die Reservate zurück, und die Stämme schauen immer genauer auf die Abstammung ihrer Stammesmitglieder und ob sie nicht vielleicht doch eher zu einem anderen Stamm gehören. Heute nämlich haben die meisten Indianer Vorfahren aus ganz verschiedenen Stämmen, Weiße sind oft auch darunter. Der Casino-Boom hat insofern auch Nebeneffekte auf völlig andere Wirtschaftszweige: Inzwischen ist sogar eine kleine Industrie genealogischer Forschung für Indianer ins Leben gerufen worden …
Die USA und die Indianer gehen nun seit über 200 Jahren eher schlecht als recht miteinander um, aber zum ersten Mal wird langsam klar, wie viel Einfluss Letztere haben können. Ihr Status als halb-souveräne Gruppen bietet ihnen neuartige wirtschaftliche Chancen, und die rechtlichen Optionen, die ihnen vor den Gerichten offenstehen, sind größer als je zuvor.
Ihr Sieg über die Bundesstaaten vor dem Obersten Gerichtshof hat weitreichende Folgen, die heute noch gar nicht alle absehbar sind. Zum Beispiel das mit den Zigaretten: Da Indianer keine Steuern auf Bundesebene zahlen müssen, können sie auch Tabak deutlich billiger erwerben. Deshalb – und nicht etwa, weil das mit dem Tabakrauchen sowieso ihre Erfindung war – findet man so viele »smoke shops« in Reservaten und Indianer-Casinos.
Der Erfolg bei der Klage gegen den »Dawes Act« hat inzwischen ähnliche Klagen gegen Washington nach sich gezogen, von denen eine weitere im April 2012 erfolgreich war – mit einer Entschädigungszahlung von einer Milliarde Dollar, die 41 Stämmen zugutekommt.
Nach dem Vorbild der Sammelklagen gegen die Tabakkonzerne haben die Indianer zudem begonnen, gegen das in Reservaten weitverbreitete Problem des Alkoholismus anzugehen. 2012 haben die Oglala Sioux
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