Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
in den Reservaten eröffnet. Die Sheriffs schlossen sie, die Sache ging vor Gericht, die Indianer machten sie wieder auf. Schließlich landete die Angelegenheit vor dem Kongress, und 1988 unterzeichnete der alte Hollywood-Cowboy Ronald Reagan ein Gesetz, das Glücksspiel in Indianerreservaten erlaubte. Den Betreibern wurden großzügige Konditionen eingeräumt.
Seitdem ist die Zahl der Casinos auf 400 angewachsen, und ihr jährlicher Umsatz von anfangs 100 Millionen auf aktuell 18,5 Milliarden Dollar gestiegen.
Von den 550 Indianerstämmen betreiben jetzt knapp die Hälfte Casinos. Das bedeutet eine Wirtschaftskraft, von der viele weiße Nachbargemeinden nur träumen können. Denn ein Casino ist natürlich nicht nur ein Casino …
Die gemächliche Landstraße des Salmon River Highway führt zwischen Portland und der Pazifikküste über weite Felder, an ein paar alten Scheunen vorbei und in dichte Kiefernwälder hinein. Wir waren unterwegs: meine deutsche Freundin, mein Vater und ich. Wir kamen von einem Ausflug ans Meer zurück, eine Zwei-Stunden-Autofahrt durch die Wildnis von Oregon lag vor uns. Keine Städte, keine Dörfer, außer einigen Farmern lebten nicht viele Menschen hier draußen, es war zu weit weg von allem. Selbst die schroffe, schöne Pazifikküste, wo wir den Tag verbracht hatten, war nur spärlich besiedelt. Ohne dass wir es bewusst wahrnahmen, stiegen die Hügel an. Der Wald wurde dichter, und wir sahen immer mehr umgestürzte Bäume, wie von der Hand eines Riesen umgeknickt. Mitten auf dem Berg, im dichten Wald, fing es an zu schneien. Mein Vater musste aufs Klo.
Hoffentlich gibt es hier im Nichts irgendein kleines Diner oder einen Truckstop, dachte ich und vertröstete ihn. Es war noch ein langer Weg bis Portland. Dann waren wir durch den Wald hindurch und wieder in einem Tal, und da stand es, wie aus dem Nichts, direkt vor uns, wie ein verwunschenes Schloss, das aus dem Nebel ragt, wie ein Kreuzfahrtschiff: das Casino. Ein ausladender Komplex aus vier oder fünf runden sechsstöckigen hochmodernen Gebäuden, umgeben von riesigen Parkplätzen und sonnig pastellfarben angemalt, mit Zickzack-Mustern und stilisierten Adlern. Ein Schild lud uns ein, dem »Spirit Mountain Casino« einen Besuch abzustatten. Wir nahmen die Einladung dankend an.
Das »Spirit Mountain Casino« bietet ein 254-Zimmer-Hotel, fünf Restaurants, einen Nachtclub und eine Sportbar, eine Spielhöhle für die Kids und Glücksspiele auf 8.400 Quadratmetern, einschließlich Blackjack, Poker, Roulette und 2.000 einarmigen Banditen. In einer durchschnittlichen Woche kann man im Nachtclub Tony Bennett, Toni Braxton oder Boyz II Men hören, aber auch Komiker wie Cedric The Entertainer, und wenn das nicht reicht, gibt es auch Karaoke und etwas, das man »The Shinkle Band« nennt.
Wir schlenderten an den Limos und Shuttle-Bussen vorbei, aus denen die Gäste quollen, die gratis aus den umliegenden Städten hergebracht worden waren: leicht rundliche Paare, Familien, Rentner und zappelige Jungs in T-Shirts und mit Basecaps, und landeten in einem Saal so groß wie ein Fußballstadion, voller blinkender, klingelnder, leuchtender Spielautomaten.
Mein Vater war zum ersten Mal in einem Casino. Er grinste. »Wow«, sagte er und ging aufs Klo.
In Hawaii aufgewachsen, war ich noch nie im Leben in einem Reservat gewesen. Ich hätte ein Tor erwartet, dahinter ein paar verfallene Häuser mit kläffenden Hunden und rostigen Autos davor. Das 45-Quadratkilometer-Reservat der 27 vereinigten Stämme von Grand Ronde besitzt kein Tor, und der Highway führt direkt hindurch. Ich fragte mich, wo im Hinterland sich das echte Indianer-Ghetto wohl versteckte, und wir fuhren ein wenig herum: Die Straßen waren neu asphaltiert, vor dem ausladenden Verwaltungsgebäude standen zwei übergroße Indianer, die ihre Hände gen Himmel hoben – ein Veteranen-Denkmal für gefallene Stammesmitglieder der verschiedenen Kriege der USA . Weiter hinten wurden gerade neue Häuser gebaut, kleine und große, in Reihen und einzeln, alle geräumig, mehrstöckig und gemütlich, als Teil der kommunalen Wohnungspolitik des Stammes.
Ehrlich gesagt, sah es hier besser aus als in den meisten Dörfern unterwegs.
Das bedeutet nicht, dass ein Casino-Reservat automatisch reich ist. Es gibt zwar spektakuläre Fälle wie den der Shakopee Mdewakanton Sioux in Minnesota, wo 300 Stammesmitglieder je eine Million Dollar jährlich mit nach Hause nehmen, das ist aber die Ausnahme. Ein Viertel
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