Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
Vom Netzwerk:
wie oder warum Cahokia schließlich untergegangen ist, aber es geschah etwa 100 Jahre vor Kolumbus. Eine Theorie ist, dass dieses Reich einfach schneller anwuchs als die technischen Möglichkeiten sich entwickelten, es angemessen zu verwalten und ausreichend zu versorgen. Heute zeugen nur noch Gräber, Knochen, Scherben und Reste von Holzfundamenten von dieser Epoche. Aber Cahokia macht eines klar: Wären die Dinge nur ein klein wenig anders verlaufen, hätte Kolumbus, als er ankam, eine moderne, gut organisierte Nation angetroffen, und man hätte ihn erst mal gefragt, ob er denn überhaupt befugt sei, im Namen seines Häuptlings diplomatische Beziehungen aufzunehmen.
    Ich frage mich ebenso, was wohl passiert wäre, wenn die Indianer nicht erst heute, sondern schon im frühen 19. Jahrhundert in Washington Lobbyarbeit betrieben hätten. Die Gelegenheit gab es. Als vom Kongress das Gesetz zum »Indian Removal« verabschiedet wurde, das zum »Trail of Tears« führte, war die Entscheidung äußerst knapp. Erstaunlich viele unserer Politiker waren den Indianern gegenüber positiv eingestellt. Im Senat endete die Abstimmung 28 zu 19 und im Abgeordnetenhaus 102 zu 97. Was wäre passiert, wenn in den Wochen zuvor ein engagierter Verfechter der Indianerrechte die Kirchen, die Quäker und andere mobilisiert, in den Zeitungen Argumente pro Indianer lanciert und den Abgeordneten ins Gewissen geredet hätte?
    Wahrscheinlich lag die westliche Art zu denken und zu handeln den Indianern damals jedoch zu fern, als dass sie die Weißen mit ihren eigenen Waffen hätten schlagen können.
    Heute dagegen …

22
Wir glauben jeden Blödsinn
    O ben auf dem Sandsteinplateau Sand Mountain im ländlichen Alabama, umgeben von Hühner-und Schweinefarmen und langen Straßen, die sich im Nirgendwo verlieren, steht die »Rock Holiness Church«. Sie sieht nicht gerade wie eine Kirche aus: ein schlichtes weißes, kastenähnliches Gebäude ohne Kreuz und üblichen Schnickschnack. Auch der Innenraum ist karg – die Bänke an die Wand geschoben, vorne ein niedriges Podium mit Pult, an der Wand Fotos von beliebten Predigern der Gemeinde und ein paar Musikinstrumente: Gitarre, Schlagzeug, ein Verstärker.
    Hier begann der Mittdreißiger John Wayne »Punkin« Brown, ein Prediger der Gemeinde, an einem Samstagabend im Oktober 1998 seinen Gottesdienst. An diesem Abend brauchte er ein wenig Zeit, um in Fahrt zu kommen. Wie immer geißelte er die Sünde, stellte klar, dass nur Jesus uns retten könne, rief seine Gemeinde zur Buße auf, lobte Gott, lobte Jesus. Immer wieder stießen Prediger und Gemeinde spontane Gebete aus: »Thank you, Jesus!« – »In Jesu Namen!« – »Halleluja!« Immer wieder sang die Gemeinde Lobeshymnen: »I’m on my way to heaven.« Die Band spielte, die Gläubigen klatschten, tanzten, stampften mit den Füßen auf den Holzboden, zuckten am ganzen Körper, drehten sich im Kreis: »I’m going home to be with Jesus.«
    »Bless your holy name, Jesus. Satan’s shedding big ole tears.«
    Dann öffnete John Wayne »Punkin« Brown einen der Käfige neben dem Pult und holte eine Klapperschlange heraus.
    Eine lebende, hochgiftige Klapperschlange: Er hielt ihren schweren Körper in seinen Händen, und während sie sich wand, wiegte er sich hin und her und predigte wie in Trance: »In Jesus’ name!« Er drehte sich um sich selbst, die anderen Prediger nahmen ihre Schlangen ebenfalls aus den Käfigen, reichten sie an andere Gläubige weiter. Schlangen gingen von Hand zu Hand, bis auf einmal jemand merkte, dass John Wayne »Punkin« Brown umgekippt war.
    Er versuchte, sich zu halten, sank jedoch zu Boden. Die Musik hörte auf. Man stand um ihn herum, nahm ihm die Schlange ab, die ihn in den Daumen gebissen hatte, fragte, ob man einen Krankenwagen rufen solle. Er deutete in den Himmel: Die Entscheidung über sein Leben solle Gott treffen. Eine Frau schrie: »Jesus, have your way!«, eine andere fiel in Ohnmacht. Kurz bevor er nicht mehr sprechen konnte, stieß er aus: »Whatever happens, God is still God.« Jemand heulte, »Jesus! Jesus! Jesus!« Dann war es still.
    John Wayne »Punkin« Brown wusste, was er tat. Erstens, weil seine Frau einige Jahre zuvor auf die gleiche Weise gestorben war. Zweitens, weil er schon über 60 Schlangenbisse überlebt hatte.
    Auch heute noch stirbt alle Jahre eine Handvoll Gläubiger an Schlangenbissen oder Vergiftungen, aber das hindert sie nicht daran weiterzumachen. Das Trinken von Strychnin oder

Weitere Kostenlose Bücher