Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
stimmt. Und wenn es nicht witzig genug ist, machen wir es witziger.
Lange bevor der Schauspieler Ronald Reagan es mit Erfolg probierte, versuchte sich der beliebte Komiker Pat Paulsen schon als Präsidentschaftskandidat. Er machte nur einen Fehler: Er war zu bescheiden. Sein Wahlkampfmotto war: »Just a common, ordinary, simple savior of America’s destiny« (»Nur ein einfacher, gewöhnlicher, ganz normaler Retter von Amerikas Schicksal«), und seine Reaktion auf Kritik lautete generell: »Picky, picky, picky!« (»Sie sind aber pingelig!«) Dabei hatte er manchmal echt den Durchblick: »All the problems we face in the United States today can be traced to an unenlightened immigration policy on the part of the American Indian.« (»Sämtliche Probleme, mit denen wir uns in Amerika heute herumschlagen, gehen auf die nicht durchdachte Immigrationspolitik der Indianer zurück.«) Trotzdem konnte er während seiner insgesamt sechs Anläufe einige Erfolge verbuchen: Bei den Vorwahlen in North Dakota 1992 wurde er Zweiter nach George W. Bush.
Pat Paulsen weilt leider nicht mehr unter uns, aber es gibt einen Trost: Wenn wir Witzkandidaten vermissen, steht es uns frei, in letzter Sekunde welche zu erfinden. Amerikaner dürfen nämlich auf den Wahlzettel, falls ihnen die Namen dort nicht zusagen, einen x-beliebigen anderen Namen schreiben. So kommt es, dass Mickey Mouse an mehr Wahlkämpfen teilgenommen hat als jeder lebende Mitbewerber. Auch Alfred E. Newman, das Maskottchen des Mad Magazin sowie der Rocksänger Joe Walsh von den Eagles und, auf Betreiben von Michael Moore, ein Ficus benjamina haben ein aufregendes politisches Leben geführt, von dem sie erst hinterher erfahren haben.
Natürlich wissen auch Amerikaner, dass ein fiktives Tierchen wie Mickey Mouse niemals ein Amt antreten kann, egal, wie viele Stimmen es bekommt. Eine Lösung für dieses nicht unerhebliche Problem haben die Einwohner des kleinen Dorfs Rabbit Hash (»Hasengeschnetzeltes«) in Kentucky gefunden. Wenn es um das Amt des Ehrenbürgermeisters geht, wählen sie jedes Jahr ein echtes Tier, am liebsten einen Hund, ins Amt: 1998 war es Goofy, 2004 Junior, und seit 2008 hat Lucy Lou, ein Border Collie, die Ehre.
Die politische Atmosphäre in Amerika heute ist außergewöhnlich giftig. Der rechte Nachrichtensender Fox News scheut vor keiner Verleumdung, keinem bösen Gerücht, keiner cleveren Wortverdrehung, Übertreibung oder Halbwahrheit zurück, um die Linken schlecht dastehen zu lassen, und die rechten Parteien ziehen mit. In automatischen Anrufen bei potentiellen Wählern machen sie ihren Gegnern die schlimmsten Vorwürfe: Obama & Co. seien Kommunisten, Sozialisten, mit Hitler gleichzusetzen, Anti-Amerikaner, betrieben heimlich den Untergang der Mittelklasse, der Farmer, Amerikas als Weltmacht, beförderten mit Absicht Terrorismus und Verbrechen, führten Krieg gegen das Christentum, gegen Weihnachten, gegen das einfache Volk. Der rechte Radiokommentator Rush Limbaugh beschimpfte eine Studentin, die sich an einer Uni für die Pille auf Krankenschein aussprach, als Hure und Schlampe. Der Fox-News-Kommentator Bill O’Reilly nannte Leute, die gegen die republikanische Partei protestierten, »Terroristen«, und ein Fox-News-Blogger betitelte Anti-Kriegs-Demonstranten als »arbeitslose, anti-amerikanische, ahnungslose, übelriechende, verblödete Verräter«.
All das schreit zum Himmel, stimmt. Was nicht stimmt, ist: dass es zum ersten Mal passiert. Wo denken Sie hin! Amerikanische Politiker haben schon immer nach Kräften vom Leder gezogen.
Benjamin Ryan Tillman war ein derartiger Rassist und vermutlich auch ein Mörder, dass ihn die (weißen) Wähler nach dem Bürgerkrieg prompt zum Gouverneur von South Carolina und später zum Senator machten. Er punktete besonders mit Sprüchen wie: »Wir müssen wohl tausend Nigger töten, bis sie wieder wissen, wo sie hingehören.« Als er damit drohte, dem Präsidenten eine Heugabel in den Arsch zu rammen, wurde er nicht etwa zurechtgewiesen, sondern bekam den liebevollen Spitznamen »Pitchfork Ben«.
2009 regten sich viele auf, als Obama aufgrund seiner Gesundheitsreform mit Hitler verglichen wurde. Sie hatten wohl nicht verstanden, dass der Vergleich eine Ehre ist, denn damit reihte sich Obama in eine ganze Phalanx anderer großer und beliebter Politiker ein: John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und Bill Clinton wurden alle aufgrund ihrer Sozialpolitik mit Hitler verglichen. Richard Nixon bekam die
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