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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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mit drei verschiedenen Pistolen zu durchlöchern. Das hätte eigentlich das Ende seiner politischen Karriere bedeuten müssen, aber Sickles war, wie gesagt, ein gerissener Hund und erfinderisch dazu: Vor Gericht plädierte er – zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte – auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit. Er wurde freigesprochen und setzte sein altes Leben fort. Wie man sieht, ist in Amerika weder Mord noch Wahnsinn ein Hindernis für eine politische Karriere.
    Doch Sie sollen jetzt nicht denken, dass amerikanische Politiker alles Mörder oder Verrückte sind. Nein, nein, viele sind einfach nur korrupt.
    Als Obama zum Präsidenten gewählt wurde, musste er sein Mandat als Senator in Chicago aufgeben. Die Verantwortung, seinen Platz neu zu besetzen, oblag dem Gouverneur von Illinois, dem Demokraten Rod Blagojevich. Der war nicht auf den Kopf gefallen. Prompt rief er eine Auktion aus: Der Höchstbietende könne das Amt haben. Interessierten sagte er am Telefon: »Das ist ein fucking wertvolles Ding, so’n Ding gibt’s nicht umsonst.« Unter den Forderungen, die er an Interessierte stellte, waren: eine beratende Position bei einer Stiftung oder Ähnlichem mit einem wuchtigen Jahresgehalt; ein hoch dotierter Posten in einem Gremium bei einem großen Unternehmen für seine Frau; einen Diplomaten- oder Kabinettsposten für sich selbst, sowie gern auch Wahlkampfspenden in bar.
    Als er aufflog, war die Nation schockiert über solch eine Unverschämtheit und blanke Gier, und man fragte sich, ob es so was in der Politik öfter gebe. Ja, was glauben Sie denn? Sind wir hier in Chicago, Illinois, oder nicht? Als Blagojevich dabei war, Obamas Amt zu versteigern, saß sein Vorgänger schon wegen Unterschlagung und Annahme von Bestechungsgeldern im Gefängnis. Eine Universitäts-Studie schätzte, dass seit 1970 etwa 1.000 Amtsträger in Illinois wegen Korruption verurteilt wurden.
    Es stimmt: Die amerikanische Politik ist unberechenbar, korrupt, vergiftet und außer Kontrolle geraten.
    Wir sind so. Wir wissen sogar, warum: Unsere Gründerväter sind schuld, natürlich.
    Der kitschige, aber höchst kluge Horrorfilm Frankenstein aus dem Jahr 1931 handelt bekanntlich von dem Wissenschaftler Dr. Frankenstein, der zu weit geht: Er erschafft Leben.
    Das ist eine große Leistung, aber wie alle großen Errungenschaften der Menschheit, von der Erfindung des Faustkeils über die Atombombe bis hin zu Windows Vista, hat sie zwei Seiten: Sie ist Segen und Fluch zugleich. Einem künstlichen, leblosen Körper gottgleich Leben einzuhauchen, ist zwar eine wissenschaftliche Sensation, aber es könnte eben auch eine Tür zu allerhand Schrecken und Leid aufstoßen, wie die Erfindung der Atombombe oder der Gentechnik. Denn wir Menschen können zwar Dinge erfinden, die die Welt verändern, aber nie garantieren, was dabei herauskommt.
    Was im Film dabei herauskommt, ist ein zerstörerisches, unkontrollierbares Ungeheuer, das annähernd so aussieht wie Boris Karloff: Frankensteins »Monster«. Der Moment der Erkenntnis kommt, als Dr. Waldman zu Dr. Frankenstein den unsterblich gewordenen Satz spricht:
    »You’ve created a monster« – »Du hast ein Ungeheuer erschaffen!«
    Diese Szene ist so überkandidelt wie unvergesslich und hat obendrein offenbar in der amerikanischen Psyche einen Nerv getroffen, denn der Spruch »I’ve created a monster« ist seitdem im englischsprachigen Raum zu einem beliebten geflügelten Wort geworden, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit eingesetzt wird: »Mein Sohn ist in die Pubertät gekommen – I’ve created a monster!« – »Ich habe meiner Tochter geholfen, den Führerschein zu machen – I’ve created a monster!«
    Das Monster, das wir erschaffen haben – das ist Amerika selbst.
    Die Idee, aus den 13 englischen Kolonien in Nordamerika einen selbständigen Staat zu machen, kam langsam auf und war für die meisten im Jahre 1776 eher befremdlich. Die Kolonisten, ob Quäker oder Puritaner, ob Plantagenbesitzer oder »indentured servants«, waren ja damals schließlich samt und sonders Untertanen der britischen Krone. Anfangs ging der Streit mit der Heimat bloß darum, einer Steuererhöhung zu trotzen. Dann wollten die Kolonien gar keine Steuern mehr zahlen, wenn sie keine Vertreter im Parlament hätten. Dann, aus rein unerfindlichen Gründen, war der König ein Tyrann, ein Menschenfeind, ein richtiger Arsch und eine perverse Sau und hatte kein Recht, über aufrechte Amerikaner zu herrschen,

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