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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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ihr wart ein Ideal für uns – und jetzt? Ein seniler Schauspieler am roten Knopf! Ist das für euch alles nur ein Spiel?«
    Wenn ich an diese Szene denke, höre ich wieder die Angst in ihrer Stimme – die hilflose Angst. In dem Moment begriff ich etwas, das ich zu Hause in Amerika vermutlich nie verstanden hätte. Es geht gar nicht darum, dass die Europäer markige Schauspieler, fundamentalistische Christen oder schießwütige Schönheitsköniginnen aus Alaska nicht so putzig finden wie wir, sondern dass wir Amerikaner die Entscheidung über unseren Präsidenten alleine treffen – der Rest der Welt dann jedoch auch mit ihm leben muss.
    Dafür gibt es auch etwas, das wiederum Europäer grundsätzlich falsch verstehen: Es stimmt nicht, dass all das bei uns neu ist. Es war schon immer so. Stehen die Präsidentschaftswahlen vor der Tür, herrscht Hochsaison im Irrenhaus.
    Der zweimalige Kandidat Henry B. Krajewski beispielsweise stand für kostenlose Milch in der Schule, ein Jahr ohne Steuern für Menschen mit niedrigem Einkommen und mehr Bier für arme Männer. Er war Farmer und versuchte bis 1966 zweimal ins Präsidentenamt zu kommen, stets mit einem echten Schwein unter dem Arm, seinem Markenzeichen. Das Schwein, sagte er, quieke für die Gerechtigkeit; er wolle keinen Schweinehandel in Washington. Spenden für seinen Wahlkampf sammelte er, indem er eine Polka-Platte aufnahm, die ziemlich populär wurde: »Hey, Krajewski!«
    Homer Tomlinson dagegen versprach, Kirche und Staat zu vereinen, einen Minister für Rechtschaffenheit und Bibelgläubigkeit zu ernennen und statt Steuern den Zehnten einzuführen. Tomlinson war Bischof, wenn auch nur nach eigenen Angaben, und Gründer der »Church of God«. Sein Plan bestand darin, das Himmelreich Gottes auf Erden zu gründen, indem Mitglieder seiner Kirche sämtliche Führungspositionen der Welt besetzen. Zu diesem Zweck kandidierte er bis zu seinem Tod 1969 viermal als Kandidat seiner »Theocratic Party« für das Amt des Präsidenten. Als er 1964 nur 24 Stimmen erhielt, ergriff er die Flucht nach vorn, ging auf Weltreise und krönte sich auf einem Klapp-Thron unterwegs zum König von Belgien und Äthiopien, Zar von Russland und endlich, in Jerusalem, zum »König der Welt«.
    Nur ein sehr tolerantes Land würde einen Vampir zum Präsidenten wählen, und Amerika ist ein tolerantes Land, also war es nur logisch, dass der Profi-Catcher Jonathon »The Impaler« Sharkey bis jetzt zweimal versucht hat, Präsident zu werden. Ja, Sharkey ist Vampir. Er trinkt das Blut seiner Freundinnen und versuchte sogar einmal, eine Vampirkolonie in Tennessee zu gründen. Wer aber glaubt, dass Vampire eher links stehen – sie gehören immerhin zu einer Minderheit –, ist falsch informiert, denn Sharkey hat im Wahlkampf 2008 damit gedroht, seinen Gegner George W. Bush zu pfählen und zu köpfen, weil dieser für seinen Geschmack nicht weit genug rechts stand und auch ansonsten viel zu zimperlich war.
    Für Lar Daly als Präsident hätte ich gern gestimmt, wenn auch nur deswegen, weil solche Hartnäckigkeit wie die seine belohnt werden sollte. Nur leider war er vor meiner Zeit. Die Sprüche, die Lar Daly von sich gab, waren unübertroffen. Er trug gern ein Uncle-Sam-Kostüm in den Farben Rot, Weiß und Blau und fuhr durch Chicago in einem LKW mit Lautsprecher drauf, aus dem er gegen Kommunisten wetterte. Er glaubte, dass jeder, der vor Gericht sein verfassungsmäßiges Recht zu schweigen in Anspruch nehme, in den Knast müsse; dass man Drogendealern ja sieben Tage geben könne, die Stadt zu verlassen, und sie dann erschießen solle, wenn sie der Aufforderung nicht nachgekommen seien; er bat Präsident Harry Truman darum, im ersten amerikanischen Flugzeug sitzen zu dürfen, das über Moskau flog, damit er eine Atombombe auf den Kreml schmeißen könne. Sein Motto »America First – or Death« (auf Deutsch in etwa: »Amerika, Amerika über alles … bis zum Tod!«) steht heute noch für einen verrückten Patriotismus, der außer Kontrolle geraten ist. In den 1930ern fing er an, für jedes erdenkliche Amt zu kandidieren, das ihm nur einfiel. Er wollte Bürgermeister, Gouverneur, Senator und sogar Präsident werden, und das mehrmals, mal für die Republikaner, mal für die Demokraten, was sich gerade so ergab. Obwohl er nie auch nur eine einzige Wahl gewann, hörte er doch nie auf.
    Wenn Sie jetzt Bedenken haben, dass wir Amerikaner die Politik nur noch als Witz verstehen, sage ich: Ja, das

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