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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Amerikaner mehr schätzt als das Risiko. Schon der Franzose Alexis de Tocqueville schrieb 1835 in seinem heute noch aktuellen Buch Über die Demokratie in Amerika : »Menschen, die mitten im demokratischen Wandel leben, entwickeln ein Auge für den glücklichen Zufall, und das führt dazu, dass sie riskante Unternehmungen lieben, in denen Glück eine Rolle spielt.«
    Stimmt. Den Kern unseres Spieltriebs bildet die Wette: Ich wette, ich kann es in einem anderen Land schaffen; ich wette, wir können das mächtigste Land der Welt, Großbritannien, besiegen; ich wette, es werden genug Immigranten kommen, um uns zur Weltmacht zu machen; ich wette, ich kann Präsident werden. Die ganze Geschichte Amerikas kann man als eine Reihe von Wetten auffassen.
    Das macht auch Poker zum ur-amerikanischen Spiel. Poker war anfangs gar nicht das wichtigste Glücksspiel im Wilden Westen, wie Hollywood-Filme das oft irrtümlich zeigen: Das war das heute vergessene Spiel Faro. Poker, wie es in Amerika gespielt wird, entwickelte sich erst um diese Zeit herum mehr oder weniger mitten auf dem Mississippi, und nahm dabei eine ganz neue Eigenschaft an: die Wette.
    Poker dreht sich weniger um die Karten selbst als um die Wette, die man unabhängig von seinem Blatt eingeht. Das eigentlich Spannende, das eigentliche Spiel sind die Blicke, die sich die Beteiligten am Tisch zuwerfen. In Spielen wie Roulette wettet man gegen das Schicksal, beim Poker gegen seine Mitspieler.
    Kaum einer ahnt, wie viele Begriffe aus diesem Spiel seither in die amerikanische Sprache eingeflossen sind. Hier nur eine kleine Auswahl:
    »Put your money where your mouth is«: So teilt man mit, dass der Bluff nun vorbei ist. Wer nur große Sprüche klopft, aber seinen Worten keine Taten folgen lässt, ist bloß ein Großmaul.
    »Blue chip«: Beim Pokern haben die blauen Chips den höchsten Wert – entsprechend sind auch die wertvollsten Firmen, Sportler oder Börseninvestitionen »blue chip investments«.
    »Pass the buck«: die Verantwortung jemand anderem zuschieben. Ein »buck« ist ein Marker, der anzeigt, wer mit dem Austeilen an der Reihe ist. Wer nicht austeilen wollte, konnte den »buck« weitergeben. Kriegspräsident Harry S. Truman hatte bekanntermaßen ein Schild auf seinem Schreibtisch stehen mit den Worten: »The buck stops here.«
    In Europa dient der Cowboy, Revolverheld oder Sheriff als Symbol des typischen Amerikaners. Realistischer aber wäre der Profi-Spieler.
    Dieser gab schon immer ein eigenartiges Bild ab: Mit hocherhobenem Kopf und stolzgeschwellter Brust spaziert er beispielsweise über das Deck eines Dampfers, die Weste mit goldenen Stickereien übersät, dazu ein perfekt sitzender Anzug und Hut, eine Diamantnadel in seiner seidenen Krawatte, eine goldene Uhr und Ringe an den Fingern. So kleideten sie sich wirklich, die Profi-Spieler damals. Alles schrie: Edel! Heute würde man sagen: Bling bling!
    Das ansprechende Äußere bedeutete alles. Das Outfit war es, das ihren Opfern Vertrauen einflößte. Es konnte gut sein, dass der Profi keine feste Bleibe hatte, keinen Cent in der Tasche, weder Pferd noch Frau noch Kind. Aber einen teuren Anzug besaß er, eine Uhr an einer Kette und immer eine dicke Zigarre.
    Die amerikanische Tradition des Glücksspiels war eine Fortsetzung der englischen Tradition, nur dass in Amerika nicht der Adel spielte, sondern der Pöbel. Indem sich ein amerikanischer Spieler aber besonders edel kleidete, vermittelte er das Gefühl, bei ihm habe man es mit einem besonderen Menschen zu tun. Er strahlte Erfolg aus. Man glaubte gern, dass er irgendwelche tiefgründigen Geheimnisse des Lebens durchschaut hatte. Besonders das größte von allen: Wie man des Risikos Herr wurde. Wir erwarten im Übrigen das Gleiche von den großen Börsenspekulanten heute: Unsereins verdient ja nie was an der Börse, aber die Großen, die Reichen, die Gewitzten, die kennen Wahrheiten, die uns verschlossen bleiben. So war es auch mit den Profi-Kartenspielern. In Wahrheit jedoch gab es keine Profi-Spieler, sondern nur Profi-Betrüger.
    Durch die Bank handelte es sich um Nepper und Bauernfänger: Diese Menschen konnten sicher besser mit Karten umgehen als gewöhnliche Sterbliche. Trotzdem bestand die einzige Möglichkeit, mit Kartenspielen Geld zu verdienen, darin, zu betrügen.
    Nehmen wir nur den Ort Natchez Under-the-hill am Mississippi, auch »wahres Gomorrha«, »Zentrum des Lasters« und »Nest der Sünder« genannt. Er war ein wichtiger

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