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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Gestank hing in der Luft.
    Alle arbeiteten sie in Teams. Der edel gekleidete Spieler hatte fast immer mindestens einen Partner im Hintergrund, manchmal aber auch bis zu sechs: das naive Landei, den irischen Immigranten, den fahrenden Prediger, den Yankee-Kaufmann, den dummen Cowboy.
    Dem berüchtigten Canada Bill Jones wird das geflügelte Wort zugeschrieben: »Es ist doch unmoralisch, einem Dummkopf sein Geld nicht abzunehmen!« Er besaß eine seltene Gabe: ein Gesicht, dem einfach jeder vertraute.
    Sein Partner George H. Devol beschrieb ihn folgendermaßen: »Stellen Sie sich einen mittelgroßen Typen mit blondem Haar und blauen Augen vor – und einen Hühnerkopf mit einem Mund, der von Ohr zu Ohr reichte, der einen schlurfenden, fast entschuldigenden Gang hatte, und wenn sein Gesicht sich entspannte, wie ein Idiot aussah. Seine Kleidung war immer zwei Nummern zu groß und sein Gesicht so glatt wie das einer Frau. Er hatte eine hohe, knabenhafte Stimme und unbeholfene Manieren und eine Art, mit einem gutmütigen Grinsen dumme Fragen zu stellen, dass jeder glaubte, er sei das größte Landei und dümmer als die Polizei erlaubt. Aber wehe dem Mann, der in seine Fänge geriet.«
    Es gibt einen Spruch aus der Welt der Betrüger, den der Komiker W.C. Fields berühmt machte: »You can’t cheat an honest man.« – »Einen ehrlichen Mann kann man nicht reinlegen.« Gemeint ist das Gegenteil: Das beste Opfer für eine Betrügerei ist derjenige, der gierig wird und glaubt, er könne seinerseits den Betrüger ausnehmen.
    Canada Bill inspirierte die Menschen einfach dazu, ihn auszunehmen. Wenn er einem Opfer irgendein Märchen auftischte von wegen einer bombensicheren Sache und ein Kartenspiel anbot, bei dem man nicht verlieren könne, oder eine einträgliche Wette, die selbstverständlich schon gewonnen sei, zu der ihm aber noch der halbe Einsatz fehle – da sagte niemand nein. Dann führte er den armen Schlucker an den Tisch, wo Devol die Karten austeilte, und das war’s.
    Zusammen bildeten sie ein großartiges Team. Bis Canada Bill dahinterkam, dass Devol es nicht lassen konnte, selbst ihn zu betrügen. Danach gingen sie getrennte Wege. Devol machte vor niemandem halt. Er gab sich zum Beispiel als Plantagenbesitzer aus und hatte zum Beweis einen Sklaven dabei – vermutlich einen Assistenten. Einmal nahm er einem Plantagenbesitzer sein ganzes Bargeld ab sowie vier Sklaven, die er in New Orleans für 1.000 Dollar pro Kopf weiterverscherbelte. Er betrog einen Pastor um die Spenden seiner Schäfchen. Er nahm einem Zirkusbesitzer, der eine Ladung Tiere den Mississippi entlang transportierte, sämtliche Alligatoren weg.
    Devol, der seine Profikarriere schon mit 14 Jahren begann, behauptete, dass er über 2 Millionen Dollar in seinem Leben erspielt habe; Canada Bill soll es im Jahr auf durchschnittlich 150.000 Dollar gebracht haben. Alles, was sie gewannen, verloren sie umgehend wieder, meist an andere Betrüger, und sie starben am Ende völlig verarmt. Als Devol seinen Kumpel einmal warnte, dass bei einem bestimmten Faro-Spiel falsch gespielt werde, soll Canada Bill erwidert haben: »Ich weiß, dass es Betrug ist, aber es gibt in der ganzen Stadt kein anderes Spiel!« (»It’s the only game in town.«)
    Immerhin war Canada Bill unter Spielern beliebt genug, dass sie ihm am Ende die Beerdigung spendierten.
    Laut Legende soll ein Kumpel am Grab den anderen eine Wette angeboten haben: »1.000 Dollar, dass Bill nicht im Sarg liegt!«
    Keiner nahm die Wette an, denn, so meinte einer: »Bill hat sich schon aus engeren Löchern herausgewunden.«
    Robert B. Reich, Ökonom und ehemaliger Arbeitsminister unter Bill Clinton, erklärte unsere Mentalität einmal so: »Die amerikanische Kultur ist wie keine andere anfällig für die ›Zu-gut-um-es-zu-verpassen‹-Falle. ›Chance‹ ist unser Lieblingswort. Was anderen Leuten anderswo auf der Welt als leichtsinnig und verantwortungslos erscheint, halten wir für ein angemessenes Risiko.«
    Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.

5
Wir sind ein Freiluftcasino auf 10 Millionen Quadratkilometern
    W er auf die bescheuerte Idee kam, die Formulierung »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück« 1776 in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung zu schreiben, sollte standrechtlich erschossen werden.
    Wahrscheinlich war es Thomas Jefferson.
    Wenn man den USA Heuchelei vorwerfen kann, so muss man bei diesem Typen, einem der genialsten der 1776er-Revoluzzer und später Amerikas

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