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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Umschlagplatz für Pelze und andere Güter sowie Anlaufstelle für alle Abenteurer, die aus dem Westen kamen und am Mississippi ein Schiff nach New Orleans besteigen wollten.
    Die Stadt Natchez selbst, hoch auf einem Hügel gelegen, war reich, aber langweilig. Am Ufer spielte die Musik, dort, wo die Boote – Hunderte – anlegten. Natchez Under-the-hill war nichts als ein großes Bordell, eine überdimensionale Spielhalle, eine einzige riesige Kneipe. Wenn man tippen dürfte, wo auf der Welt der Beruf des Profispielers entstanden ist, dann tippe ich auf diesen Ort.
    Der Journalist William C. Hall beschrieb einen kurzen, schmerzlichen Besuch in Natchez Under-the-hill um 1820 mit folgenden Worten:
    Die Straße war voller »modisch gekleideter junger Männer, verlebter Frauen, Seemänner, Kentucky-Bootsmänner, Neger, Mulatten, Schweine, Hunde und schmutziger Kinder«. In einem Saloon wurde er von jungen Frauen zum Tanz aufgefordert; ein junger Schwarzer, kostümiert wie ein Ottomane, spielte Musik. Die Rouletteräder drehten sich, Männer gruppierten sich um die Faro-Spieltische.
    Hall beobachtete das Treiben erst wenige Minuten, als sich eine typische Szene vor seinen Augen abspielte: Der Eigentümer des Ladens versuchte gerade, einen Besoffenen zu überzeugen, doch lieber nach Hause zu gehen. Der Besoffene aber wollte lieber spielen – er habe noch 500 Dollar zu verwetten. Also bat der Betreiber den gut gekleideten, offenbar vertrauenswürdigen Journalisten um Hilfe: Er würde ein Spiel vorbereiten, bei dem der Besoffene (natürlich) verliere, aber der Journalist, sofern er mitmache, (natürlich) gewinne. Auf diese Weise könne man dem Besoffenen das Geld abnehmen und es dem Herrn Journalisten anvertrauen, der es dem Besoffenen am nächsten Morgen dann mit einem weisen Spruch auf den Lippen und einem Klaps auf die Schulter wiedergeben solle. Eine gute Tat.
    Hall war skeptisch. Da trat ein einfach gekleideter Mann dazu, offenbar ein Farmer aus der Gegend, und meinte, er mache mit, wenn der Journalist auch mitmache.
    Da beging Hall den entscheidenden Fehler. Während er noch über die Offerte nachdachte, schaute er in die eigene Brieftasche und zählte sein Geld: genau 500 Dollar. Und bevor er seine Brieftasche wieder zumachen konnte, lagen schon alle seine Scheine auf dem Tisch neben dem Geld des Farmers und dem des Besoffenen. Die Karten wurden gemischt und ausgeteilt, aber doch nicht ganz so, wie abgesprochen. Wenige Minuten nach Betreten der Kneipe jedenfalls war der Besoffene nicht mehr besoffen, der Farmer weg, der Eigentümer gar nicht mehr so freundlich, wie er anfangs schien, und William C. Hall sein Geld los. Beim Gehen bekam er verächtlich die Information hinterhergerufen, der Trick, auf den er gerade reingefallen sei, stamme von »meiner Großmutter«.
    Die Erfindung des Dampfschiffes revolutionierte dann nicht nur das Transportgewerbe auf dem Mississippi und die amerikanische Wirtschaft ganz allgemein, sondern auch das Leben des Profi-Spielers. Auf den Schiffen vermehrten sie sich wie die Fliegen. Nach einer Schätzung befanden sich 1835 auf den 250 Dampfschiffen des Mississippi rund 2.000 Profi-Spieler.
    Nachdem der Russe Alexander Borisovich Lakier Nordamerika bereist hatte, berichtete er 1859 in seinem Buch The Travel Through North American States, Canada and Cuba von einem Abend im Salon eines Dampfschiffes:
    Das Spielen, das Wetten, das Austeilen der Karten, schrieb er, hörten nie auf. Kaum war das Frühstück abgeräumt, wurden die Karten herausgeholt. »Geld hatte kaum einen Wert. Die Tische bogen sich unter dem Gold.« Außer den Frauen nahm jeder teil, und wenn es nur darum ging zuzugucken. Auch Sklaven standen um die Tische herum und nahmen regen Anteil am Glück ihrer Herren – kein Wunder, konnte sich doch der Name ihres Herrn unvermittelt ändern. Profis gingen sogar unter Deck, wo sich die armen Passagiere aufhielten, und versuchten, diese auch noch auszunehmen. Als einer verlor, griff er den Gewinner an, und beide zogen Pistolen – den Umstehenden gelang es gerade noch, sie zu beruhigen, sonst hätte es, schrieb Lakier, mit Blutvergießen geendet.
    Obwohl die Kleidung der Spieler und die Dekoration des Salons sich an Eleganz gegenseitig übertrafen, sah das Szenario am frühen Morgen weniger schön aus: Der Fußboden war übersät mit zerrissenen, zerknüllten Karten und Tabakasche; einige Spieler waren in ihren Sesseln eingenickt und schnarchten vor sich hin, ein furchtbar muffiger

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